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Bauchfellentzündung. Unterleibsentzündung. Peritonitis

Wir unterscheiden eine primäre und eine sekundäre Peritonitis und bei beiden die partielle (umschriebene), nur über einen kleinen Teil des Bauchfelles verbreitete, und die allgemeine (ausgebreitete) Peritonitis, die sich über den größten Teil des Bauchfelles erstreckt. Beide Formen können einen akuten oder chronischen Verlauf nehmen. Die primäre Form entsteht am häufigsten durch Verletzung, Schlag, Stoß, Operation. In letzterem Falle ist die Gefahr der Entzündung am größten, wenn der Leib vor der Operation stark ausgedehnt war und durch diese stark zusammensinkt. Daher erscheint nach dem Kaiserschnitt, nach der Punktion des Ascites und nach Operationen im Wochenbett sehr leicht Bauchfellentzündung. Sehr selten entsteht die primäre Peritonitis durch Erkältung. – Die sekundäre Form ist aber die häufigere und entsteht durch Fortpflanzung der Entzündung von benachbarten Organen. So gesellt sich Peritonitis zur Typhlitis, zur Enteritis, zur Leber-, Milz-, Nieren- und Blasenentzündung usw., zu Einklemmungen und Darmverschließungen. Sie entsteht ferner infolge ulceröser Prozesse im Darmkanal, z. B. beim perforierenden Magengeschwür, bei Darmgeschwüren (bei der Ruhr, im Typhus, bei tuberkulösen, carcinomatösen u. ä. Geschwüren).

Das wesentlichste und wichtigste Symptom ist der Schmerz, der entweder plötzlich eintritt oder sich allmählich steigert und sich bei jeder Lageänderung des Patienten erhöht. Anfangs ist der Schmerz auf die Stelle beschränkt, von der die Entzündung ausgeht, und verbreitet sich von da allmählich über den ganzen Unterleib. Der Schmerz ist anhaltend; auch wenn er momentan nicht empfunden wird, wird er durch Druck auf die sehr empfindliche Bauchdecke wieder belebt (ein wichtiges Unterscheidungszeichen zwischen Peritonitis und Kolik). Die Extremitäten sind eiskalt.

Nur selten tritt vor Beginn des Schmerzes ein Schüttelfrost ein, z. B. bei der Peritonitis puerperalis und rheumatica. Mit Eintritt des Schmerzes stellen sich Übelkeit, wohl auch Erbrechen ein. Je intensiver die Entzündung, desto anhaltender ist das Erbrechen. Koterbrechen kommt nur dann vor, wenn die Peritonitis durch eine Verschließung des Darmkanals bedingt ist.

Bald stellt sich auch, infolge der Gasanhäufung in den ausgedehnten Gedärmen, ein leichterer oder höherer Grad von Bauchauftreibung (Meteorismus) ein. In vielen Fällen ist die Harnblase in Mitleidenschaft gezogen, daher oft schmerzhaftes Harnen oder Harnverhalten. Infolge der Paralyse der Darmmuskeln ist auch hartnäckige Verstopfung vorhanden, so daß evacuierende Mittel oft fruchtlos bleiben; ausgenommen bei Peritonitis puerperalis, wenn das Darmödem ein reichliches wässeriges Transsudat in den Darm veranlaßt.

Das Fieber ist besonders bei fibrinösen Exsudaten sehr hochgradig, bis zu 40 °C und noch mehr; vor allem bei der puerperalen Form, wo auch oft Delirien eintreten. Der Puls ist klein und beschleunigt.

Bei dieser das Leben sehr bedrohenden Krankheit tritt entweder nach 5 bis 14 Tagen der Tod ein, oder es erfolgt Nachlaß der Schmerzen und des Fiebers, häufig mit vermehrter Schweiß- und Harnabsonderung; auch erfolgt Stuhl. Doch muß sich der Genesende noch längere Zeit schonen und darf nur leicht verdauliche Kost zu sich nehmen. – Entwickelt sich die chronische Peritonitis aus der akuten, so vermindern sich zwar die Schmerzen oder treten nur periodisch ein, doch der Bauch bleibt aufgetrieben, der Kranke magert ab, die Knöchel werden ödematös, und wenn der Kranke nicht nach mehreren Monaten, oft infolge eines Rückfalles, der häufig eintritt, zugrunde geht, leidet er in fast allen Fällen für sein ganzes Leben an den mannigfachsten Unterleibsstörungen, die durch Verhärtung des Exsudates und Verwachsungen innerer Partien erzeugt werden. In manchen Fällen bricht das Exsudat nach außen auf.

Bei Behandlung dieser gefährlichen Krankheit müssen Abführmittel oder Klistiere, die selbst die Allopathie nicht mehr gestattet, gänzlich vermieden werden. Speisen und Getränke dürfen gar nicht oder doch nur in sehr geringen Quantitäten genossen werden. – Um das heftige Fieber zu mildern, scheint Aconitum, in stündlicher Wiederholung, eine der zweckmäßigsten Arzneien zu sein, der jedoch Belladonna, Ferrum phosphoricum und besonders Echinacea zur Seite zu stellen sind. – Bei blassem, eingefallenem Gesicht, heftigen brennenden und schneidenden Schmerzen, Erbrechen: Arsenicum; bei kalten Schweißen, großer Unruhe: Veratrum. – Bei fortschreitender Krankheit und eintretenden Exsudaten ist Bryonia ganz unerläßlich, die, konsequent angewandt, das Exsudat resorbiert und Eiterbildung verhütet. Desgleichen ist Sulfur ein Mittel, um die Resorption des Exsudates zu befördern. – Ein sehr wichtiges und beachtenswertes Mittel ist noch Mercurius corrosivus, das nach Vorhergebrauch von Aconitum oder Bryonia oft von ausgezeichnetem Nutzen ist und vor allen anderen Mercurpräparaten den Vorzug verdient, Schmelzung der festen Exsudate zu bewirken. – Mit diesen wenigen Mitteln, denen wir noch Colocynthis und Rhus Toxicodendron hinzufügen, glauben wir auskommen zu können. Nur wenn die Schmerzen zu heftig sind und mit Aconitum oder Belladonna nicht gemildert werden können, greifen wir zu Opium oder Morphium oder Codein, ½- bis 1 stündlich 1 bis 2 Gaben, wobei der Patient die strengste Ruhe in der Rückenlage beobachten muß. Nach 3 bis 6 Gaben tritt dann gewöhnlich Nachlaß der Schmerzen ein, und es können nun sofort warme Leinsamenumschläge gemacht werden, die gewöhnlich gut vertragen werden.

Schließlich ist noch zu bemerken, daß bei dieser das Leben so sehr gefährdenden Krankheit ein tüchtiger homöopathischer Arzt zu Rate gezogen werden muß; verwegen wäre es, wollte ein Laie die Behandlung im vorgeschrittenen Stadium übernehmen.


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