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Die Störungen des Sehvermögens können sehr verschiedener Art sein, von sehr verschiedenen Ursachen veranlaßt werden und mit Schmerzen und Entzündungssymptomen vergesellschaftet sein. Eine genaue Untersuchung von einem erfahrenen Augenarzt, der sich erforderlichenfalls auch mit Zuhilfenahme des Augenspiegels über die Art und Ursachen des Leidens zu vergewissern vermag, ist daher unumgänglich geboten.
Mitunter sind Trübung der Hornhaut, Geschwüre auf ihr u. dgl. vorhanden. Auch können Krankheiten der Chorioidea, der Netzhaut oder des Sehnerven Ursachen der Sehstörungen sein.
Auf all die Besonderheiten und mannigfachen Ursachen der Störungen des Sehvermögens können wir hier nicht näher eingehen, es wäre auch dem Zwecke dieses Buches nicht entsprechend. Wir verweisen vielmehr auf die kurzen Angaben im Repertorium, Abschnitt VI.
Der schwarze Star (Amaurosis) ist meist ein Leiden der Augennerven, seltener der Netzhaut, ohne äußerlich wahrnehmbare Veränderung der flüssigen oder festen Teile des Auges; daher ist dem Auge die Krankheit nicht anzusehen, es hat vielmehr das Aussehen eines gesunden. Diese Krankheit ist ein reines Nervenleiden erethischer oder torpider Natur. Bei erethischer Amaurose ist die Empfindlichkeit der Pupille für Licht noch ziemlich groß, bei torpider Amaurose nicht. Für die Wahl des Mittels ist das jedoch von keiner wesentlichen Bedeutung, es kommt vielmehr hauptsächlich auf die Entstehungsursache dieses Leidens und die sonst dabei wahrnehmbaren Krankheitssymptome an. So ist z. B. bei allen, die nach dem Verschmieren eines Ausschlages (durch Salben usw.) dieses Leiden bekommen haben, Sulfur das Hauptmittel. Nach plötzlicher Erkältung: Belladonna. Nach Erkältung der Füße im Feuchten: Rhus Toxicodendron. Nach unterdrücktem Fußschweiß: Mercurius, Sepia, Silicea. Die Prognose ist äußerst ungünstig.
Der graue Star (Katarakt) ist eine teilweise oder gänzliche Trübung der Kristallinse, wodurch die Sehkraft vermindert wird; weiße Gegenstände erscheinen unrein, wie mit Staub bedeckt. Ist die Krankheit noch nicht völlig zur Reife gekommen oder erst neu entstanden, so kann sie noch auf homöopathischem Wege beseitigt werden. Ist jedoch der Star zur Reife gekommen, so muß die Operation ungesäumt vorgenommen werden. Ob wir es mit einem weichen, harten oder Kapselstar zu tun haben, kann nur vermittelst des Augenspiegels erkannt werden, vermag also nur der Augenarzt zu bestimmen.
Die Hauptmittel zur Aufsaugung eines beginnenden Kataraktes sind: Baryum, Calcium, Conium, Euphrasia, Lycopodium, Phosphorus, Pulsatilla, Secale cornutum, Sepia, Silicea, Sulfur. Außerdem sehr empfohlen: Calcium fluoratum. Beim Linsenstar leisten gute Dienste Cannabis mit Magnesium carbonicum im Wechsel.
Der grüne Star (Glaukom), der nicht selten im Verlaufe der chronischen Gicht oder auch der Syphilis vorkommt, besteht in einer vermehrten Absonderung der Glaskörperflüssigkeit, wodurch ein erhöhter Druck im Innern des Auges entsteht, der den Sehnerven zum Schwunde bringt. Der Augenhintergrund schimmert grünlich durch die erweiterte Pupille. Gewöhnlich fängt dieses Leiden mit Nebelsehen und zuweilen argen Stirnkopfschmerzen an, wonach das Sehvermögen plötzlich schwindet, jedoch aber wiederkehrt. Solche Anfälle wiederholen sich, bis das Sehvermögen vollständig erlischt. Um dem gänzlichen Erblinden zu entgehen, lasse man sofort, nach dem ersten bedrohlichen Anfalle, von einem geschickten Augenarzte die Iridectomie vornehmen, was leicht und fast schmerzlos geschieht. Sobald erst gänzliches Erblinden eingetreten, ist an Heilung nicht mehr zu denken. Fälle von Heilungen homöopathischer Art sind bis jetzt noch nicht konstatiert worden.
Bezüglich ihrer Symptome wollen wir noch die bei den verschiedenen Augenleiden hauptsächlich in Betracht kommenden Arzneimittel einzeln charakterisieren:
Acidum nitricum: Entzündung der Lid- und Augenbindehaut mit Blutüberfüllung und Erweiterung der Gefäße; Trübung der Hornhaut und Lichtscheu. Entzündliche Anschwellung und nächtliches Zuschwären der Augenlider mit starkem Ausfluß von gelbem Eiter und Schmerzen, besonders nächtlichen. Geschwürigkeit der Hornhaut. Krampfhaftes Zucken der Lider. Hornhautgeschwüre, die sich nach Calcium carbonicum nicht bessern, sondern zu perforieren und die Hornhaut (Cornea) zu zerstören drohen. – An die Wichtigkeit spezialistischer Behandlung sei hier wiederholt erinnert.
Aconitum: Ein bei der katarrhalischen Bindehautentzündung, besonders zu Anfang, unübertreffliches Mittel. Plötzliches Schwinden des Sehvermögens nach heftiger Erkältung. Starke Röte der Bindehaut mit brennenden, stechenden und drückenden Schmerzen, hauptsächlich bei Bewegung der Augen. Hierauf paßt oft Belladonna oder Mercurius solubilis.
Aethiops antimonialis (Spießglanzmohr): eine chemische Verbindung von Quecksilber, Antimon und Schwefel, bewährt sich oft ganz vorzüglich gegen skrofulöse Augen- und Drüsenentzündung, Hornhaut- und Bindehautexanthem, ödematöse Geschwulst der Augenlider und Lichtscheu.
Apis: Augenentzündung nach akuten Hautausschlägen; Röte, Tränen und Wundheit der Augen; mehr oder minder gerötete Albuginea; heftige Schmerzen und Stechen in den Augen, wie von einem fremden Körper; Geschwulst und nächtliches Zukleben der Augenlider. Apis ist Hauptmittel bei granulöser Augenentzündung.
Arsenicum: Sehr gerötete Augen mit brennenden Schmerzen und scharfem, wundfressendem Tränenflusse; außerordentliche Lichtscheu mit Flimmern vor den Augen; sehr entzündliche Augenlidgeschwulst, auch mit empfindlicher Trockenheit. Flecke und Geschwüre an der Hornhaut. Nächtliches Zukleben der Augen.
Leistete sehr wesentliche Dienste, wo die Bindehaut des Auges degeneriert war, aus lockerem, hochrotem Zellgewebe bestehend, mit stark gefüllten venösen Gefäßen; der Rand der Cornea mit tiefen Geschwüren besetzt; die Lamellen der Cornea mit eitriger Flüssigkeit gefüllt; von Iris und Pupille keine Spur.
Arnica: Augenentzündung nach mechanischen Einwirkungen, mit Blutunterlaufung. Plötzliches Schwinden des Sehvermögens durch Fall auf den Kopf und heftige Erschütterung des Gehirns. In stündlicher Wiederholung. Wenn nach jeder Erkältung, besonders durch Zugluft, nach dem Erwachen des Morgens die Lider wie gelähmt sind.
Aurum (Aurum muriaticum natronatum): Oft sehr hilfreich, selbst da, wo die Hornhautexsudate fortgeschritten sind und förmlich organisiert erscheinen. Nach Aethiops antimonialis oder Kalium jodatum, die bei Affektionen der beschriebenen Art auf die engere Wahl kommen.
Belladonna: Heftige katarrhalische Augenentzündung mit roten Äderchen in der weißen Augenhaut, Entzündung der Lider mit starker Geschwulst und Tränen. Sehr verengerte oder stark erweiterte Pupille mit großer Empfindlichkeit vor Licht; bunter Hof oder roter Kranz um das Licht. Stetes Fippern und Zittern der Lider. Dunkle Flecke und Funken vor den Augen, dabei oft heftiges Kopfweh mit Schwindel und Vergehen des Gesichts. Umstülpung der Augenlider.
Calcium: Heftige, brennende und schneidende Schmerzen, die sich beim Lesen und abends beim Kerzenlicht verschlimmern; Lichtscheu; trübes Sehen, wie durch Nebel oder als wären Flecke vor den Augen, namentlich beim Lesen oder scharfen Sehen auf einen Gegenstand; dabei oft drückende und stechende Schmerzen mit Jucken; auf der Hornhaut Flecke und Geschwüre. Paßt oft nach Sulfur.
Clematis erecta: Katarrhalische Entzündung der Augenbindehaut, zumal am inneren Augenwinkel, mit vermehrter Tränenabsonderung und Druckempfindung im Auge. Empfindlichkeit gegen Luft und Licht. Entzündliche Affektion der Augenlider, besonders der Lidränder.
Conium: Bei skrofulöser Lichtscheu mit Tränenfluß und heftigem Krampf der Augenlider. Blutüberfüllung der Gefäße des Auges. Flecke auf der Cornea.
Euphrasia: Katarrhalische Entzündung der Augen und Augenlidbindehaut mit reichlichem, schleimig-eitrigem Sekret. Krampfhaftes Zucken der Lider, Druckgefühl in den Augen mit Kopfweh und reichlichem Tränenfluß (ähnlich Crocus). Entzündung und Trübung der Hornhaut bei Schwäche des Sehvermögens. – Bei sehr bedeutendem Tränen der Augen und Lichtscheu reichen wir Natrium muriaticum, besonders auch bei Hornhautgeschwüren und vorausgegangenen Ätzungen mit Höllenstein.
Gelsemium: Heftige Entzündung der Augen mit häufigem Tränenfluß, Lichtscheu und Schmerzen, besonders abends, heftige Stiche in den Höhlen bis in die Augäpfel, mit Vollheitsgefühl. Doppeltsehen, Erweiterung der Pupillen. Sehschwäche, undeutliches Sehen; Zusammenfließen der Buchstaben beim Lesen. Schielen. Perlenregen vor den Augen unter plötzlichem Blindwerden (deutet auf Ablösung der Netzhaut im Innern des Auges; hierbei muß der Patient in der Rückenlage ruhig im Bette verharren, darf sich weder aufrichten noch herumgehen. Im Wechsel mit Belladonna). Totale Blindheit mit heftigem Schwindel. Fliegende, schwarze Punkte vor den Augen. Lähmung des oberen Augenlides (vgl. Repertorium: Augenlider).
Hepar sulfuris: Hauptmittel bei skrofulösen Augenentzündungen, besonders nach Scharlach und Masern. Tränen der Augen; Lichtscheu und entzündliche Geschwulst der Augenlidränder, die häufig, morgens beim Erwachen, zugeschworen und verklebt sind. Entzündung der Meibomschen Drüsen. Auch bei Flecken und Geschwüren der Hornhaut und Gefühl, als wäre Sand in den Augen.
Kalium bichromicum: Sehr wichtig bei Granulationen und Pusteln auf der Conjunctiva und Cornea mit Hitze und Druck in den Augen. Entzündung, Röte, Lichtscheu sind sehr gering oder fehlen. Bei Trachom und Hornhauttrübung mit vieler Absonderung von Schleim. Perforierende Hornhautgeschwüre, wo auch an Mercurius corrosivus, Calcium carbonicum oder Hepar sulfuris zu denken ist. Trübung der Hornhaut, wo Kalium bichromicum mit Aurum muriaticum, Cannabis, Conium und Sulfur konkurriert. Bei Entzündung der Tränenwege, wenn der Tränensack hart angeschwollen ist und eitert. (Hierbei zu vergleichen mit Acidum hydrofluoricum, Acidum nitricum, Silicea. Bei stärkerer Eiterung ist Stannum oft sehr hilfreich; heilt blutende Risse im äußeren Augenwinkel.)
Mercurius: Bei katarrhalischer Bindehautentzündung mit Brennen, Stechen und Hitze in den Augen, oft nach Belladonna. Starker Eiterfluß, nächtliche Verschlimmerung.
Mercurius nitrosus: Skrofulöse Augenentzündung mit argem Fließschnupfen, Lichtscheu, Lidkrampf, Hornhautgeschwüre. Bösartige Augenentzündung der Neugeborenen. – Näheres Seite 110.
Nux vomica: Wenn die Augenwinkel noch röter sind als die Augen. Augenentzündung nach Erkältung; drückende Schmerzen, als wäre Sand in den Augen. Tränen und Lichtscheu, besonders früh. Blutunterlaufung im Augapfel. Schleim in den Winkeln mit nächtlichem Zusammenkleben der Lider.
Pulsatilla: Stechende Schmerzen in den Augen oder Druck wie von Sand; viel Tränenfluß, besonders in freier Luft. Trockenheit der Augenlider und Lichtscheu mit Stechen in den Augen bei hellem Tageslichte; nächtliches Zukleben der Augen. Paßt bei leichten katarrhalischen Entzündungen. ( Man vergleiche bei Masern, Augenentzündungen.)
Rhus Toxicodendron: Durch Erkältung im Nassen verursachte Augenentzündungen mit Brennen und Stechen in den Augen, Tränen der Augen und Geschwulst der Lidränder. Auch bei traumatischer, selbst eitriger Entzündung der Iris oder des Innern des Auges.
Spigelia: Bei drückenden, stechenden oder bohrenden Schmerzen, bis tief in die Augenhöhlen und in den Kopf hinein, mit dem Gefühl, als wären die Augäpfel zu groß; und überhaupt bei so heftigen Schmerzen, daß sie zur Verzweiflung bringen. Ähnlich Cimicifuga; besonders bei scharfen, lancinierenden Schmerzen in und über den Augen. Schlimmer nachts.
Sulfur: Hauptmittel bei skrofulösen wie auch bei katarrhalischen Augenentzündungen mit pustulöser Entzündung der Bindehaut, auch bei oft sehr bösartigen Geschwürbildungen auf der Hornhaut. Bei Entzündung und Geschwulst der Lider und Lidränder mit Eiter und Zukleben. Gefühl wie von Sand in den Augen oder stechend-durchschießende Schmerzen mit Lichtscheu und vieler, selbst wundmachender Tränenabsonderung. Trübung der Kristallinse, der Hornhaut; Augenmuskellähmung, Lidlähmung. (Nach Sulfur paßt oft Calcium.)
Thuja occidentalis: Hartnäckige skrofulöse Augenentzündungen. Schleimabsonderung und Zusammenkleben der Lider. Trüb- und Kurzsichtigkeit. Schweben von Linien und Tanzen von Funken vor den Augen. Zittern der Buchstaben beim Schreiben. Gefühl von Herauspressen des Augapfels. Affiziert besonders das linke Auge. Heilte im Wechsel mit Carbo animalis ein von der Allopathie als unheilbar diagnostiziertes Krebsleiden im Auge ( Markschwamm) beim Feldmarschall von Radetzky.