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Masern. Morbilli

Die Masern sind eine fieberhafte, meist epidemisch auftretende, ansteckende und gewöhnlich den Menschen nur einmal, im Kindesalter, befallende Ausschlagskrankheit, die nicht allein die Haut, sondern auch die Schleimhaut der Lungen und des Schlundes ergreift. – Der Krankheit gehen gewöhnlich mehrere Tage katarrhalische Vorboten, wie Husten, Schnupfen, Entzündung der Augenlider mit Katarrhalfieber, belegte Zunge, Ekel vor Speisen, voraus, was anfangs den Anschein hat, als wenn sich das Kind stark erkältet hätte. Dann zeigt sich etwa 2 Tage später, meist unter Verschlimmerung der katarrhalischen Symptome, das Exanthem, zuerst im Gesicht und auf der Brust, wenig oder gar nicht an den Enden der Extremitäten. Der Ausschlag (Exanthem) besteht aus kleinen, runden, flohstichähnlichen, rötlichen Flecken, mit einem kleinen Knötchen (Papula) oder Bläschen in der Mitte. Die Flecken stehen gruppenartig zusammen und sind von blaßroter Farbe, die sich jedoch schon nach einigen Tagen verliert. Drückt man mit dem Finger auf die Haut, so ersetzt sich die Röte wieder von der Mitte aus (beim Scharlach vom Rande her). Der Ausschlag steht in seiner Blüte etwa 3 Tage, und das Fieber steigert sich häufig noch nach dem vollständigen Ausbruche des Exanthems, das dann blasser wird und sich in derselben Ordnung verliert, wie es erschien. Mit dem Verschwinden des Ausschlages mäßigen sich das Fieber und die Schleimhautaffektion, und die Krankheit ist meist mit dem 6. Tage, vom Ausbruche an gerechnet, vorüber. Wenn der Ausschlag fortgeht, bedeckt sich die Haut mit kleien- oder staubartigen Epidermisschüppchen, was oft wochenlang andauert und zuweilen ganz unmerklich vor sich geht.

Im allgemeinen ist diese Ausschlagsform eine ungefährliche, nur muß man die Kranken vor jeder Erkältung in acht nehmen, sie in einer gleichmäßigen, weder zu warmen noch zu kalten Temperatur halten und das Bett so stellen, daß durch das Türöffnen nicht die Zugluft auf den Patienten strömt; ebenso darf sich niemand, der aus der Kälte kommt, dem Bett nähern. Auch sorge man dafür, daß die Augen dem Lichtreize nicht ausgesetzt werden, weshalb sowohl das Tages- als auch das Lampenlicht durch leichte Vorhänge oder Lichtschirme ferngehalten werden muß. Am häufigsten sind die Nachkrankheiten zu, fürchten, die durch leichtfertiges Behandeln des Kranken eintreten können, und hauptsächlich ist die Periode der Abschuppung der Masern gefährlich.

Beim Beginne der Krankheit, wenn katarrhalische Beschwerden, Schnupfen, Halsbeschwerden, dumpfes Kopfweh, Lichtscheu, Tränen der Augen, gelbweiße Zunge und Fieber mit trockener Hitze vorhanden sind, wird Aconitum das passende Mittel sein, das die Beschwerden beseitigen und auch den Verlauf der Krankheit beschleunigen und abkürzen wird. Man gibt von der Arznei in ½ Tassenkopfe voll Wasser alle 1 bis 2 Stunden einen kleinen Schluck und erneuert die Arznei sooft es die vorhandenen Symptome erheischen. Sind die Nebenbeschwerden bedeutend, dann geben wir Aconitum in 1stündlichem Wechsel mit Pulsatilla, was sich oft als sehr nützlich bewährt hat. – Sind Gehirnaffektionen und heftige Delirien vorhanden, dann paßt Belladonna. Bricht der Ausschlag mit großer Nervenaufgeregtheit, die sich als Unruhe und Schlaflosigkeit offenbart, aus, dann hilft Coffea. Eine besondere Beachtung verdienen die Augenaffektionen; bei vielem Tränen, Fließschnupfen und Lichtscheu wird Euphrasia erforderlich sein; bei bedeutender Entzündung: Belladonna oder Mercurius.

Treten die Masern durch irgendeine Unvorsichtigkeit zurück, was bei ihrer Ausschlagsform sehr leicht geschehen kann, so gebe man Bryonia, und wenn diese nicht bald hilft, Apis, auch mit Aconitum im Wechsel. Finden sich Magen- und Darmkatarrhe, Durchfälle usw. vor, dann sind Bryonia, Ipecacuanha oder Veratrum, je nach Umständen, zu verabfolgen. – Sollte Husten eintreten, der leicht bräuneartig werden kann, dann hilft Spongia, oder in der trockenen, angreifenden Form Jodum, bei Heiserkeit Bromum. Ist der Husten krampfhaft, trocken und besonders nachts in Erscheinung tretend: Belladonna oder Hyoscyamus; bei starkem Schleimrasseln auf der Brust: Ipecacuanha oder Tartarus emeticus.

Etwa eintretende Komplikationen, z. B. Luftröhrenentzündung, Lungenentzündung, erfordern keine andere Behandlung als die, die sie ohne Masern erfahren würden, und wir verweisen deshalb auf das, was an Ort und Stelle darüber gesagt worden ist. Allerdings sind dergleichen Komplikationen sehr gefährlich und führen oft zu sehr langwierigen, ja tödlichen Komplikationen.

Nachkrankheiten, als da sind: Ohrenentzündung, Ohrenfluß, Schwerhörigkeit, Halsleiden, beseitigen Pulsatilla, Carbo vegetabilis, Hepar sulfuris, Mercurius solubilis. – Bei Augenentzündung nach Masern, bei einfacher Bindehautentzündung (Conjunctivitis) mit dicker, gelblicher, aber milder Schleimabsonderung, ist Pulsatilla ein äußerst wertvolles Heilmittel; ihm ganz ähnlich ist Argentum nitricum. Sollte aber trotz diesem Mittel Ulceration und Perforation der Hornhaut drohen, dann verabfolge man Mercurius sublimatus corrosivus. Sonst vergleiche man noch, besonders bei Augenentzündung skrofulöser Kinder: Sulfur, Arsenicum, Natrium muriaticum. Fleißiges Waschen und Reinigen der Augen mit warmem Wasser und Schutz vor Licht, Staub und Rauch ist selbstverständlich.


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