Sagen aus Franken
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Wie der König Wenzel getauft wurde

Einmal ging meine Grossmutter mit mir in die Sebalder Kirche. Ich war noch ein kleiner Stöpsel und hielt mich fest an ihrer Hand und, wenn die anders beschäftigt war, an ihrem Rock. »Schau, das ist der Wenzelstein!« sagte meine Großmutter. Ich schaute mich überall um, auf dem Fussboden und an den Kirchenwänden und schließlich an der Decke, konnte aber keinen »Stein« sehen. Da sagte auf einmal die Grossmutter: »Ach, du dummer Bub, wo schaust du denn hin? Da ist er doch, der Wenzelstein.« Und sie deutete auf einen grauschwarzen, aus Erz gegossenen Taufstein, der gerade vor mir stand. Ein grosser Deckel war über dem Kessel angebracht, und alles war schön verziert. »Da drinnen ist der König Wenzel getauft worden!«, sagte meine Großmutter. »Aber es ist schlecht ausgegangen damals. Der Kaiser Karl hat seinen ersten Sohn, den Wenzel, in der Kirche hier taufen lassen und hat dazu Kurfürsten und Bischöfe und viele Geistliche eingeladen aus aller Welt. Ein Reichsfürst hatte den kleinen Wenzel auf einern blauseidenen Kissen in die Kirche tragen müssen; das Kissen hatte goldene Franzen und das Taufbecken war neu gegossen, zum ewigen Andenken an den Wenzel; und es hat eingeweiht werden sollen mit der Taufe des kleinen Prinzen. Aber wie man den Kleinen ausgewickelt hatte und ihn in das Wasser hineinsteckte, das wohl ein wenig gewärmt war, da – passierte dem kleinen Wenzel ein kleines Unglück! Der Bischof, der den Kleinen taufte, erklärte, daß man in einem solch beschmutzten Wasser den Prinzen nicht taufen könnte, und verlangte ein neues Taufwasser. Die Amme aber, die den Kleinen trug, verlangte, daß das Wasser gewärmt werde. Der Kaiser war zornig und verlangte, dass das warme Wasser so schnell wie möglich herbeigeschafft werde. In der Kirche es war in den ersten Märztagen und noch reichlich kalt – stand einstweilen die erlauchte Gesellschaft um den Neugeborenen Taufstein herum und wartete und fror. Da war man beim Anheizen in der Pfarrerswaschküche etwas hastig und unvorsichtig – kurz die Waschküche fing Feuer, und gleich darauf stand der ganze Pfarrhof von St. Sebald in Flammen. Mit grosser Mühe wurde das Feuer am Weitergreifen gehindert und schließlich gelöscht nachdem das ganze Gehöft niedergebrannt war. Endlich brachte man doch das nötige warme Wasser daher und die Taufe konnte stattfinden. Schließlich war der Kaiser wieder zufrieden und draußen auf dem Marktplatz und in den Nürnberger Strassen war am Nachmittag ein grosses Fest. Die adeligen Herren führten ein Turnier vor mit ihren prächtigen Panzern und geschmückten Pferden.

Die Bürger bekamen Wein, soviel sie wollten, und mächtige Ochsen wurden auf den Plätzen für das Volk gebraten. Acht Tage lang durfte in Nürnberg damals nichts gearbeitet werden, und die ganze Zeit sorgte Kaiser Karl IV. für gutes Essen und Trinken. Aber mancher der dabei war, hob den Finger, zuckte die Achseln und machte ein sorgenvolles Gesicht. Bei der Taufe des kleinen Wenzel hat es ein Unglück gegeben! Das bedeutet nichts Gutes für den Wenzel und nichts Gutes für das deutsche Reich!«

 


 


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