Sagen aus Franken
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Der tiefe Brunnen

Auf der Burg ist ein 70 Meter tiefer Brunnen. Gefangene sollen ihn in mehreren Jahrzehnten gebaut haben. Unten steht immer frisches Wasser mehrere Meter hoch und über der Wasserfläche sieht man von oben her rechts und links zwei dunkle Öffnungen in dem Felsen, durch die der Brunnen gemeisselt ist.

Die zwei dunklen Öffnungen führten zu unterirdischen Gängen, die hinuntergingen zum Rathaus und hinunter in den Burggraben und unter dem Burggraben hindurch hinaus in den Wald und noch, wer weiss wohin. Das weiss ja jeder, dass die ganze Nürnberger Stadt und besonders der Burgberg mit unterirdischen Gängen nach allen Seiten durchwühlt ist. Im letzten Krieg hat ein Baumeister dort bombensichere Unterstände für die gesamte Altstadt für 50000 Menschen gerichtet Damals kamen die Nürnberger oft in diese unterirdischen Gänge. Heute sind sie wieder wohl verschlossen, damit sich kein Gesindel darinnen festsetzen kann.

In alten Zeiten soll einmal in Nürnberg ein Mann wegen mancher Verbrechen zum Tode verurteilt worden sein. Aber der Verurteilte bat so jämmerlich um sein Leben, dass die Ratsherren Mitleid bekamen. Er rief: »Sperrt mich ein, so lang ihr wollt, verbannt mich, wohin euch einfällt, mauert mich meinetwegen ein, nur tötet mich nicht« Endlich beschlossen die gestrengen Ratsherren, ihm eine Gelegenheit zu geben, durch die er sich retten könnte. Man rief ihn herein und sagte zu ihm: »Wenn du es wagst, in den Tiefen Brunnen hinuntersteigen und durch die unterirdischen Gänge durchzuwandern, so weit du kannst, vielleicht hinaus bis zum Karlsberg bei Poppenreuth, wo der alte Kaiser Karl der Große sich noch verbergen soll, und wenn du davon gute und wahrhafte Nachricht bringst dann soll dir das Leben geschenkt sein!« Der Mann war es zufrieden. Er wurde noch in der Nacht hinaufgebracht zur Burg und in den Brunnen hinabgelassen. Dort begann er seine Wanderung:

Eine Stunde wanderte er mit seiner Fackel durch den langen Gang; da kam er an eine großes, offenes Tor. Es war von Eisen, stand aber weit offen, sodass er hineinschauen konnte in einen grossen Saal. Da saß der alte Kaiser Karl auf einem steinernen Stuhl vor einem steinernen Tisch und ringsum sassen die Herren mit reichen, prächtigen Gewändern. Und wirklich, da sah er es selbst! Dem Kaiser war sein mächtiger, weisser Bart mitten durch den Tisch gewachsen. Auf einmal bewegten sich die Gestalten. Einer nach dem andern sah sich nach ihm um. Er erschrak heftig und wollte voll Entsetzen davon laufen. Aber gerade noch fiel ihm ein, dass er ja einen Beweis brauchte, wenn er sein Leben retten wollte. Er sah einen glänzenden Stein am Boden liegen, hob ihn rasch auf und steckte ihn ein. Dann lief er, so schnell er konnte, zurück, dorthin, wo er seine Wanderung begonnen hatte. Er wurde heraufgezogen und musste nun den Ratsherren erzählen was er gesehen hatte. Man wollte ihm nicht glauben, aber als er den glänzenden Stein aus der Tasche zog – es war ein Diamant –, da schenkte ihm der Rat das Leben.

 


 


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