Sagen aus Franken
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Vom Siechenkobel

In der alten Zeit, als noch die Pest alle zehn Jahre in Nürnberg wütete und jedesmal Hunderte von Einwohnern ins Grab brachte, als noch der Aussatz im Land war und den Menschen langsam die Gliedmaßen wegfraß, da wußte man noch keine andere Hilfe gegen solche schweren Krankheiten und ihre Ansteckung, als die Menschen draußen vor der Stadt unterzubringen, damit ihre Berührung und ihr Atem möglichst weit von den andern Menschen weggebracht wurden.

Deshalb baute man draußen, mehr als tausend Meter vor dem Neutor, einen Siechenkobel, d. h. ein Haus, in dem die Kranken schlecht und recht untergebracht waren, in dem sie von frommen Männern und Frauen, die der Welt abgesagt hatten, verpflegt und versorgt wurden, und von wo sie bei Todesstrafe nicht mehr in die Stadt kommen durften. Sie bekamen ihr eigenes Kirchlein, das dem heiligen Johannes geweiht war, die St. Johanniskirche. Der Siechenkobel wurde immer wieder zu klein und mußte erweitert und neu aufgebaut werden. Auch die Kirche von St. Johannis war erst ein kleines Kapellchen und mußte allmählich immer größer werden, um die Kranken aus dem Siechenkobel aufnehmen zu können. Damals war der Weg nach St. Johannis gemieden. Kein Mensch ging ohne Not dort hinaus; denn keiner wollte sich eine Krankheit holen, die durch den Hauch und durch die Luft übertragen wurde.

 


 


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