Sagen aus Franken
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Wer trägt da eine Kanone spazieren?

Erich Rinköping hat der Mann geheißen, von dem ich heut erzählen will. Er war ein Schwede und kam im Jahr 1632 mit König Gustav Adolf nach Nürnberg.

Damals wurden rings um die Stadt herum große, feste Schanzen aufgeworfen, so auch die Sternschanze an der Brückenstraße. Alle Soldaten und die ganze Bürgerschaft, außer Geistlichen mit Ratsherren, halfen fleißig mit. Ringsherum wurden schwere Kanonen in die Schanzen gestellt. Die zwei kunstvollsten und festesten Schanzen waren die ›Sternschanze‹ und die ›Bärenschanze‹ genannt. In der Sternschanze stand auch eine schwere Kanone. Und der Mann, der diese Kanone bediente, der sie putzte und lud, der mit ihr zielte und schoß, war eben Erich Rinköping.

Eimal war in einer Wirtschaft beim Jakobsplatz eine lustige Gesellschaft von schwedischen Soldaten beisammen; die sangen und lachten und erzählten und fanden kein Ende. Erich Rinköping saß dabei und vergaß ganz, daß er von 10 bis 12 Uhr in derselben Nacht noch an seiner Kanone in der Sternschanze Wache stehen sollte. Er hatte aber auch allen Grund zu solchem Vergessen; denn ein neuer Söldner war aus Schweden angekommen und hatte ihm nicht nur Nachricht von seiner Braut Jutta, sondern auch eine weiche duftige Locke von ihr mitgebracht. Als zehn Uhr herankam, konnte er nur noch mit Mühe stehen und gehen; und seine Kameraden mußten ihn zu seiner Wache führen. Draußen war es stockfinster, kein Mond schien; nur die Sterne glitzerten kalt und hämisch herunter. Erich wurde es bald langweilig. Er wehrte sich lang gegen die Müdigkeit, indem er hin und her ging an seiner großen Kanone. Als die Müdigkeit immer stärker wurde, fühlte er in seiner Tasche eine Flasche Enzianschnaps aus seiner Heimat. Er nahm einen tüchtigen Schluck und noch einen, dann wieder einen, und bald darauf lag er auf der Lafette des Geschützes in tiefem Schlaf. Um zwölf Uhr sollte er abgelöst werden. Die Runde kam und fand Erich schlafend, und ehe er noch richtig wach geworden, hatte man ihm schon die Hände gefesselt. Die Disziplin im schwedischen Heer war über alle Maßen streng. Am andern Tag wurde der Gefangene an seine Kanone geführt und dort, wo er seine Pflicht vergessen hatte, erschossen und an derselben Stelle gleich begraben.

In der nächsten Nacht kam von 10-12 Uhr ein riesiger, starker Finnländer am gleichen Platz auf Posten. Der war ein tapferer Soldat und hatte in mancher Schlacht seinen Mut bewiesen aber, noch eh' es Zwölf Uhr ausgeschlagen hatte und die Runde zur Ablösung zu ihm gekommen war, rannte der alte Soldat wie besessen durch die Schanze und schrie so laut, daß die ganze Wachmannschaft alarmiert war. Er wurde zum Offizier geführt und, an allen Gliedern zitternd, erzählt er:  Mit dem ersten Schlag der Mitternacht sprang ein schwarzer Hund mit Augen wie Feuerkugeln an mir hinauf, und dann keuchte der Rinköping, mit einem Kanonenrohr auf der Schulter, zu mir herauf und drohte mir mit dem Finger. – Weil der Finnländer seinen Posten verlassen hatte, sollte auch er mit dem Tod bestraft werden, und wurde gefesselt ins Gefängnis geführt.

In der nächsten Nacht hatte man nun einen ganz besonders verlässigen Mann herausgesucht; der ließ sich auch, als Erich Rinköping um Mitternacht wieder erschien, nicht schrecken. Er hob seine Pistole und schoß Erich mitten ins Herz. Im nächsten Augenblick apportierte der schwarze Pudel die Kugel, und Rinköping stand unerschüttert da und drohte mit seinem Finger. Da war auch bei diesem Mann der Mut zu Ende. Auch er lief, was er laufen konnte, und verließ seinen Posten. Der Offizier ließ ihn deswegen in Ketten legen und meldete die Sache seinem Vorgesetzten. In der nächsten Nacht wurde ein Korporal mit vier Mann an das Geschütz gestellt und kurz vor 12 Uhr erschien noch ein höherer Offizier dazu. Aber auch diesmal kam's nicht anders. Als die Glocken Mitternacht schlugen, stand zum Schrecken von allen Rinköping mit seiner Kanone auf der Schulter am alten Platz. Er salutierte, wie es sich gehörte, vor seinem Vorgesetzten und auch der Pudel sprang wedelnd um den Offizier herum. Der ging schleunigst weg und auch der Korporal mit seinen vier Mann blieb nicht an dem verfluchten Platz, sondern alle rannten, was sie konnten, hinunter ins Innere der Schanze.

Da faßte man die Sache anders an. Erich Rinköping wurde ausgegraben und in geweihter Erde im Friedhof bestattet. Die Kanone wurde gegen eine andere umgetauscht. Als in der nächsten Nacht wieder ein Unteroffizier mit vier Mann an dem Platz als Wache aufgezogen war, blieb Rinköping aus und ist seitdem nie mehr erschienen.

 


 


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