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[1930/31]
I
Ich bin der Sang, der trunken tönend fliegt
Durch Seel und Element,
Vor heimlicher Lichtung zart das Laub zuseiten biegt
Und ins saphirne Herz des Waldes schaut,
Mit Herden trommelnd rennt, mit Faltern flimmernd wiegt,
Im Flusse rauscht, im weißen Blitze brennt
Und, lerchenhafte Hymne, wirbelte zum Herrn.
Doch nun, den Hauch durchweht von Fahrt, den Blick durchblaut,
Von Tau und Tränen funkelnd noch die Haut,
Ruf ich im mitten Markt: sei, Wunder, hier wie fern
Gewaltig, das Verdorrtes frisch und recht erbaut,
Ja, Bund wie Wald, Werk wie Kristall und Geist wie Stern!
II
Seit unsre Städte aus dem Maß sich dehnten,
Entsandten sie die schwärmende Wanderschaft
Der Erdenbeter, die im Schoß der Wildnis lehnten,
Sogen der Mutter Blick und sangen ihr zum Ohr.
Nun tönt ihr schweifend Klingen nach durch unsre steinerne Haft.
Doch wenn wir neu die einsamsten der Lieder singen,
Geselln sie sich, vollenden sich mit neuem Lied und sind ein Chor,
Der Erdenkraft mit innigem Gelingen
Jahrhundertlang in unsre Brust beschwor.
Da strömt nun Gottes Flut, und Gottes Sonnen glühen.
Erkühne dich zum letzten, vollsten Flor,
Heb, Erde, an, in unserm Bund zu blühen!
III
Dein Haus, ein wandernder Planet,
Fühl, wie durch Jahre dumpf gedreht
Er heut durch wirkende Mitte geht.
Dies ist der Tag und dies der Ort,
Wo ein im Hauch verhalten Wort
Die Welt erschüttert fort und fort.
Dein Brand, verwahrt in Herz und Herd,
Dein innerliches Pochen fährt
Hinaus wie Blitz und kreisend Schwert.
Leben erquillt und zückt durch Wand und Dach,
Sturm ist bereit und rafft den Traum ins Wach,
Wie Flügelsame reists in Lüften tausendfach.
IV
Gegenstimme:
Ein Bund für alle, Hoh und Niedre, Heiß und Kalte,
Bereit und Unbereit, was ists als fromme Lüge?
Solang ich steh auf eignem Grunde fest,
Mein und der Meinen Burg in Klarheit halte
Und würdig unsern Tag vor Gottes Blick gestalte,
Lebt uns in unserm Tage Vollgenüge.
Der Rufer:
Wohl hebt der Bund sich an mit liebenden Gesellen,
Wohl heißt Bereitsein erst: sein Eigen recht bestellen.
Doch ehe uns von sichern Werks Verherrlichungen
Im Zinnenkranz das sehnende Horn wird überklungen,
Eh Werbens matt sein Ruf nur von dem Fernsten läßt:
Daß Gottes Blitz zuvor mir Burg und Werk zerschlüge!
V
Gegenstimmen:
Was frommt noch uns ein Wort, das schwer und langen Gangs
Ein dunkles Amt begeht?
Was uns die Zartheit schwebenden Gesangs,
Der wie um festbekränzte Stirnen weht?
Die Satten und die Müßigen haben Weile,
Geschonte Sinne und gelenken Geist –
Singt denen vor! Uns jagts. Uns hat die Eile.
Uns höhnt die Feier, die ihr selig preist.
Wollt ihr die sein, die unsre Not begreifen,
Gebt uns das Wort, das uns begreiflich ist:
Klar, leicht und schnell! Wer schüf uns Kraft und Frist,
Dem Sinn verschlungne Wege nachzuschweifen?
Der Rufer:
Das schwer und zarte Wort ist uns verhängt.
Wir stehn im Amt, dem ist nichts abzudingen,
Kein rascher Schreiten, kein bequemer Klingen.
Doch noch das herbste Wort steht offen und empfängt,
Ruft, will sich allhin gönnen.
Wenn euch die Zeit von seiner Schwelle drängt –
Ach über uns und euch, daß wirs nicht wenden können!
Wir können nur beschwören
Mit herzerneutem Sang erneute Zeit,
Die keinem wehre, was sich wehrlos weiht.
Ob sie auch säumt, das Wort bleibt ihr bestehn.
Des Schöpfers Werdestrahl webt über fernen Chören:
Ich seh die Feiern, die euch noch wie Hohn verstören,
In euren Kindern euch mit uns begehn.
VI
Spruch, drin dein Atem schwingt, ist draußen nicht im Schwange.
Da rät dir der zu lockenderm Gesange
Und jener, stolz die Menge zu verschmähn.
Du aber laß das Wort an dir geschehn!
Sieh dich nicht vor, wers hört und wems behagt,
Gibs fraglos aus, wie sichs dem Geiste sagt.
Ob man dir schweigt, ob frostig dir erwidert,
Halt innen kräftig allen dich verbrüdert.
Sprich zu dem Stummen, das dich hört im Tauben,
Grüß im Ungläubigen den verschollnen Glauben.
Und heißen, die du liebst, dich kalt und einsam,
Du fröstle nicht: dein Volk, dein Spruch, die stehn vor Gott gemeinsam.