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Sonette

Vor heiligem Berg ein flehend Ahnen war
Mein einziger Gesang im Heiligen Gaue.
Nun ward die Zwietracht schlicht, das Dumpfe klar.
Der Berg tat hell sich auf, und innen stand die Fraue.

I

Nun du entrückt bist, wird es not zu sagen.
In Flut und Berg bereitet sich ein Singen.
Die ersten Töne werfen ihre Schwingen,
In deinen hohen Abend sich zu wagen.

Denn was nun einzeln Namen hat und Wahrheit:
Als ob sich Mittnacht jählings wendete
In Tag, und Licht ging rings und blendete –
Wars sich verloren in der einen Klarheit.

Ich schwieg, getaucht in Ursprung aller Lieder.
Der Stimmen und Gestalten ganze Pforte,
Gepriesene im Chore meiner Glieder,

Erfülltest du, verschlossest mich im Horte,
Zu steigen durch die Hymne auf und nieder,
Und gabst mir Sprache über alle Worte.

 

II

Verwandlung riß mich, da ich dir begegnet,
Mit Wurzeln aus dem Grund, drin ich gehangen –
So war an dir Vergangenheit vergangen
Und was mich einzig nährend noch gesegnet.

Der Freiheit Segellauf durch tausend Sphären
Zerschellte an dem Felsen deines Strandes.
Verarmt durch dich und nackt am Saum des Landes
Lag ich dir hingeworfen aus den Meeren.

Da flog aus dir das stürmisch helle Märzen
Mir übers Herz, von künftiger Blüte innen
Ward durch und durch die Brust ein keimend Schmerzen.

Mein Heil ist, alles nur durch dich gewinnen,
Mein Untergang, alles in dir verscherzen,
Und alles um dich geben, mein Beginnen.

 

III

Du weißt, wie Lieb und Schönheit mich geschlagen
Mit Lust, sie tausendfältig zu umfangen,
Wie Band um Bande innig mich umschlangen,
Draus Flut um Flut mich unstet fortgetragen.

Und als mir Ahnung riet, mich zu entziehen,
War schon mein tiefster Hort geheim verloren.
So ward ich nicht in neuen Leib geboren,
Und innen blieb das Treiben und das Fliehen.

Wie hobst du leicht ins Wunder, das ihn einigt,
Den Ausgestoßnen, der in dunklen Mühen
Sich um des Wunders fernen Schein gepeinigt.

An deiner Hand erwache ich ins Glühen
Der Erde, die dein Odem mir gereinigt
Und blühe mit im unbegehrten Blühen.

 

IV

Wie preßte mich im wachsenden Entscheiden
Mehr als die Angst, ich wäre dein nicht wert,
Die Not: das unanrührbar sich verklärt,
Dein Herz in Schicksal einzutun und Leiden.

Rief auch und glänzte noch so selig nach
Kindlicher Tage unbewußtes Gleiten,
In heilige Stummheit wieder rückzuschreiten –
Aus dir und mir befahl es, und ich sprach.

Da rauschte aus der dunkeln Tore Bogen
Der lichte, eine, ewige Augenblick
Und war in schwerern Schatten schon verflogen.

Doch schau den Sorgenweg und nicht erschrick!
Wie du mich einend dem Geschick entzogen,
So führe ich dich einig ins Geschick.

 

V

Erfreut sich mein Gedächtnis, nachzumalen
Die Landschaft unsrer Tage, ach, verwiesen
Bleibt eines zu den frühen Paradiesen,
Wo nur das Tor uns haucht und braust in Strahlen.

Schwertführende Engel stehn in der Sekunde,
Als, deiner Seligkeit mich anzuloben,
Fast flehend deine Arme sich erhoben
Und zogen Haupt an Haupt und Mund zu Munde.

Der Augenblick, der schreibt, wird nicht beschrieben.
Tag wurde leer zuvor, Licht blind und zinnern,
Und Schlaf und Feuer und Geheimnis trieben

Um jenen einen Kuß, davon Erinnern
Nicht Bild noch Lust hat. Davon ist geblieben
Nichts als die deutlich strenge Schrift im Innern.

 

VI

Wie das Gewissen lang in mir gesprochen,
Sprach mir ein Mund aus Mächten, die dich hüten,
Von alter Schuld. Da hüllte die verfrühten
Knospen ein Schnee, die in uns aufgebrochen.

So beugte uns Gesetz den seligen Willen,
Nicht auszublühn, was sich gewiß verkündet –
Bis sichtbar neu es meinen Wandel gründet,
Einsam in sich das Glühendste zu stillen.

Du feist mich, daß geduldend sich gestalte
Und darbend seiner Speise nicht entbehre
Und tief sich kühle, was doch nie erkalte.

Wenn ich denn endlich mich für dich bewähre
Und selber dich in deiner Klarheit halte,
Ist mein die Mühe, aber dein die Ehre.

 

VII

Weil du mich heil erschaffen, muß ich dulden
Mit frischer Qual von mir geschlagne Wunden,
Sengende Nähe längst verwundener Stunden,
Tieferes Graun vor längst bereuten Schulden.

Wohl hat der Brand, der aus mir brach und zehrte,
Am eignen Bein und Fleische mir gezehret,
Daß ich versehrend stets mich selbst versehret,
Doch Brand, der dumpf nur reifte, nicht verklärte.

Wenn mit Zerrüttung Seele oder Leibes
Zu sühnen wäre freventlich Zerrütten,
Wär ich entsühnt, und bins doch schuld und bleib es –

Bis du mich heilst und häufst mir, die inmitten
Der Schuld versöhnt, aus Überfluß des Weibes
Voll Heilung Aug und Herz, sie auszuschütten.

 

VIII

So gerne ließen wir im Wunderbaren,
Zukünftigen die Blicke sich ergehen,
Wohnung und Garten und ein Bild zu sehen
Von viel und nie zu viel gemeinen Jahren.

Für eines nur ist alles Bild verweigert,
Denn nicht in Ahnungsgrenzen ist beschlossen,
Was, aus der Wandlung ewigem Born entflossen,
Die Zukunft noch mit Zukunft übersteigert.

Kaum, daß dein kühnstes Wort in scheuem Grauen
Darauf gewiesen, war mir, ich erblinde
Und wie wenn Leib und Liebe meiner Frauen

In eine zarte Glorie entschwinde.
Und gegenwärtig war und nicht zu schauen
Geheimnis-hell die Mutter mit dem Kinde.

 

IX

Mich schließt die harte Liebe ohne Zeichen
In fensterlosen Stein und Eisentüren.
Sing ich dir Klage, wird es dich nicht rühren,
Sing ich dir Dank und Lob, dich nicht erreichen.

Ich schrei und weiß, es dringt kein Hall hinüber.
Ich horch und weiß, es kommt kein Laut nach innen.
Ich dränge mich mit allen wilden Sinnen
An Wand nach Wand – nur enger wirds und trüber.

Was kann nun Pochen noch und Rufen taugen
Und aus der lohen Seele schwankem Rauche
Ein Bild zu greifen, einen Schein zu saugen?

Doch wie ich auf den Grund des Schweigens tauche,
Nichts hoffend mehr: glüh ich von deinen Augen
Und steh in deinem schweren Herzenshauche.

 

X

Die mir geheiligt blinde Dämmerungen
Aus Trieb und Schicksal, drin ich kämpfend fuhr,
Zur einigen, wahrhaftigen Natur
Und in den Kranz der Welt mich eingeschlungen –

Noch ahn ich nicht, mit wem du mich versöhnst:
Im Dunkel seh ich hohe Schatten wallen
Und leuchtend werden unter den Kristallen
Des lautern Blicks, mit welchem du sie krönst.

Ich bin im Schlafe wie als Kind versponnen
In einen weiten, mütterlichen Hall,
Dem deine Kindlichkeit mich rückgewonnen.

Erwach ich von geträumter Stimme Schall,
Hör ich die hellen Sphären ferner Sonnen
Wie Hörnerrufe gehn im nächtigen All.

 

XI

Du gleichst dem Baume, Liebe ohne Sprache,
Der stummen Holzes durch den Winter dauert –
In jedem Furchenreste winddurchschauert
Gleichst du dem Ackerland im Jahr der Brache:

Wie's dunkel schaut nach Pflügen, die es klüften,
Von keiner Wüstenei sich unterscheidend –
Dem Baum, der seine öde Freiheit leidend
Mit keinem Rauschen Antwort weiß den Lüften.

Doch unter toter Rinde kreist ein Träumen
Von Grün im Saft und Geisterwehn von Blättern
Und Schwere von durchlaubten Schattenräumen.

Der Boden ohne Frucht trinkt sich aus Wettern
Gewalt der Zukunft. In der Tiefe bäumen
Sich Götter Schlafes auf nach Erntegöttern.

 

XII

Mit welchen Reiches Laut darf ich dich nennen,
Da ich doch weiß um deiner Seligkeit
Bedürftiges Gebeugtsein unter Zeit
Und weiß dich nicht vom Ewigen zu trennen?

Da all mein Wunder nur aus dir sich neigt
Und all mein Leben sich um dich entfaltet,
Da sich der Genius, der mich verwaltet,
Mit deinem Ernst und deinem Lächeln zeigt.

So gib mir nicht als Lästerung zu büßen,
Was nur aus frommem Schauen mir gediehn:
In dir ein englisches Gesicht zu grüßen.

Hat lächelnd doch der Himmel selbst verziehn,
Wenn immer nun sich drängt zu deinen Füßen
Mein höchstes Wort und zu dir singt auf Knien.

 

XIII

Dir offen stehn ist Adlung meiner Sitte:
Daß, wann dich auch Gedenken zu mir zöge,
Kein Trübes deine Einkehr stören möge
Auf reiner Straße bis in Wesens Mitte.

So bin ich immer auch von dir empfangen.
Wem solches Hin und Wider nur geblieben,
Der ist getrennt noch eingehüllt in Lieben
Und in die Fremde wie nach Haus gegangen.

Ihn werden alle Länder dein gemahnen.
Sie rufen dir: kehr ein, und wir sind neue!
Sie hoffen dich und geben dich zu ahnen.

Zu dir hin dehnt sich meiner Tage Bläue,
Dein Herz beschreiben meiner Sterne Bahnen,
Und all ihr Licht ist Leuchten deiner Treue.

 

XIV

Da nun sich um ihn schließt der Zauberbogen,
Was rastet doch der wilde Falke nicht?
Der jetzt gebannt noch kreiste im Gedicht,
Ist dir schon und der Zukunft zugeflogen.

Groß ist Gesang, und so ist Leben groß,
Und keines wird von keinem je bezwungen.
Hab ich die Liebe völlig ausgesungen,
Streb ich nur flammender in Liebes Schoß.

Die Frucht ist ganz und ausgestreut in Samen,
Dem Wandelnden unwandelbar bereit.
Des Grundes Mächte hoben sich und kamen.

Sie weisen ihre heilige Doppelheit:
Ewig gestillt zu stehn in ihren Namen
Und immer einzuwandern in die Zeit.


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