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Gesicht und Gebet


Ruf aus der Zeit

[1926]

 

I

Lange irrt ich um
      ohne dein Geleit.
Arme Lichtes, Gott,
      hobst du in die Zeit.
Liebend stürzte ich
      in den offnen Schein,
Lobte meinen Herrn und pries mich Sein.

Aber kaum erheb
      ich das heilige Glück,
Fällt die Stimme hauch-
      los in mich zurück,
Hat wie Träumenden,
      wenn ihn Donner weckt,
Aus der Hymne mich dein Ton geschreckt.

Wars denn Traum? Mir blüht
      noch im Sinn der Strahl.
Morgenleuchten wars –
      dieser Tag ist Qual.
Deine Lieb ist hart,
      fingst und hältst mich fest,
Leib zu Leib an deinen Zorn gepreßt.

Ewig frischen Lichts
      soll ich mich nicht freun,
Ja wie Gift den Kelch
      deiner Gnade scheun.
Singen wollt ich rein,
      doch du stimmst es schrill.
Sagen soll ich, Herr, was ich nicht will.

 

II

Frieden feiern sie
      im Gewölb des Lichts,
Singen sich in Traum
      himmlischen Gesichts.
Unser Wachen, Gott,
      nimm es für Gebet –
Sieh die Schar, die drauß
      im Gewitter steht!

Tempel bauen sie,
      schön verschloßne, dir –
Bist du's, Herr, im Chor,
      bist du's in der Zier?
Draußen gärt von Tod
      uferlose Nacht –
Bist du's, Herr, im Glanz,
      was sie trunken macht?

Ins umkränzte Tor
      gehen wir nicht ein.
Kein Geschmückter reicht
      hierher Brot und Wein.
Wirren Ruf regiert
      kein geweihter Brauch.
Leichenatem hüllt
      kein gewürzter Rauch.

Denn die Toten sind
      unbegraben hier,
Offne Erde wälzt
      Strauch und Mensch und Tier.
Ungeebnet bäumt
      sich die wunde Flur,
Von den Fetzen voll
      deiner Kreatur.

Wir erkennen uns
      halb im seltnen Blitz,
Hören nur Geschleif
      ziellos schlaffen Schritts,
Nur durch schwarze Luft,
      staubig und verseucht,
Wie ein sterbend Kind
      deinen Namen keucht.

Hier erstickt Vertrag,
      hier verlischt Gepraß –
Krüppel gegen Krank
      zischt gespenstiger Haß,
Denn unstillbar ringt
      um uns fort der Krieg,
Bis dem Graun ins Herz,
      Herr, dein Frieden stieg.

Kein Vergessen heut,
      regne keinen Trost –
Hungers Mund versperr
      milder Bettelkost!
Herr, vergib uns nicht,
      Herr, versöhn uns nicht –
Siehe unsre Schuld,
      führe uns ins Licht!

 

III

Geister heller, früher Zeiten,
Die ihr über Träumen uns thront in Kronen ewiger Ehr,
Kämen eure Götter selbst, uns in alten Glanz zu leiten,
Sehnend, stöhnend sprächen wir: nimmermehr.

Fragt ihr uns nach Gut und Rang –
Wandrer wir auf brachem Grund, ihr gebauten Bodens Fürsten.
Euer ist die Schale Golds, Sonnenhauch in Erdentrank,
Unser nur ein immer unlöschbar Dürsten.

Fragt ihr uns nach Tun und Rechte –
Unsre Milde sengt und würgt mehr denn euer grader Zorn,
Unsre Freigesagten stehn elender denn eure Knechte,
Lahmer Wehr ins Truggesetz festverworrn.

Fragt ihr, welcher Geist uns führt –
Geist ward Aussatz, auf der Stirn überwüchsiger Städte blühend.
Keine reine Flamme, die einig Beten aus uns schürt,
Not nur, mehr als Menschennot macht uns glühend.

Was geheim im Grund verhalten
Unter eurem Reihn sich stumm wand in Höhlennacht, das Graun,
Übermächtig feurig brichts aus der schüttern Erde Spalten –
Unser ist, es Aug in Aug anzuschaun;

Auszustehn die bare Glut,
Unsre Ehr; die Rinde, die ihr vom Tisch warft, unser Brot.
Das kein Traum uns mehr entreißt, hier ist unser bittres Gut:
Schrei, der Gott zum Herzen dröhnt, heilige Not.

 

IV

Qual, zerbrich die alten Mauern,
      ströme, unermeßlich Trauern,
Über strahlende Altäre
      in die seligen Bilder ein!
Fernste Angst, geheimstes Hoffen,
      alles Feld des Herrn liegt offen,
Keine Grenze mehr der Gnade,
      keine Kerker mehr der Pein.

Wenn wir ineinander legen
      Hand zu Hand, erglüht ein Segen,
Der in keinem Ring befriedet
      innen zehrt, wen er durchfließt.
Bis nicht jedes Herz im Bunde,
      brennt er uns wie offne Wunde,
Und das Heil weicht aus dem Kreise,
      wenn der Kreis zu früh sich schließt.

Streckt die Hände aus ins Dunkeln!
      Jede offne Hand wird funkeln,
Jede leuchten dem Genossen,
      der die Botschaft noch nicht weiß.
Wenn sich aller Hände fänden,
      alle sich ins Eine bänden,
O so müßten Gottes beide
      Hände schließen unsern Kreis.

 

V

Ich weiß ja, deine Gunst wird streuen Himmels Kost
In unsern Wüstenzug; wir werden essen.
Denn, Herr, wir lebens nicht, nicht ohne deinen Trost.
Nur stärk uns, überm Mahl nicht zu vergessen!

Dein Stab in Menschenhand wird schlagen Flut aus Stein,
Eh unser Hals verdorrt; wir werden trinken.
Im Schwall der Nacht vor uns wird wandern, Herr, dein Schein.
Nur laß den Blick im Glanz uns nicht versinken!

Eh wir von Schultern tun das anvertraute Leid,
Eh richt am Wegrand uns ein elend Ende!
Laß hungern uns im Brot, laß frieren uns im Kleid,
Laß sehnen uns im Kuß, Herr, bis zur Wende!


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