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[1930/31]
I
Durch alles Land lebendig weicher Schauer:
Rings rührt ein goldner März
Aus ihrem Schlaf die Keime sonnenwärts.
Läg nun ein Volk in wahrer Wintertrauer,
Er regt es wohl der wachen Freude zu.
Doch wir, gebannt in starrer Hast, in giftiger Ruh –
Wann mischen seine Strahlen, seine Winde
Auch uns im Blut das neue Herz? –
So flieh ich denn, entschlage mich des Bunds
Und gebe mich der Welt zum seligen Kinde?
Nein, hier ins Feld der Stadt, ins steinige, wüste, blinde,
Komm, Lenz, erneue uns!
II
Entwurf der neusten Welt: ein stählern rollend Band
Rund um den rollenden Erdenball gespannt.
Wer da nicht Platz gewinnt, mag abseit hungern
Oder leer im Bettel lungern.
Wer Platz hat, dem rollt es immer zu
Immer gleiches, dran er immer gleiches tu.
Lasse du kein Blut in deine Hand,
Kein treibend Sinnen und kein trächtig Säumen!
Will sie deines Blutes Werke träumen –
Was sie gesollt,
Schon ists vorbeigerollt,
Dich schluckt die Nacht, der nächste steht am Band.
III
Wie wenden wir die Not?
Wir wissens nicht zu sagen.
Doch laßt ihr von der Not
Mann wider Weib, Schar wider Schar, Volk wider Volk euch jagen,
Braut aus dem Blute Haß und aus den Lüften Tod,
So seid ihr Volk um Volk schon von der Not geschlagen.
Hebt nur das Haupt: ihr hört die eine Not
Durch alle Sprachen klagen!
Hebt nur die Arme, die gemeine Not
Mit Gottes Knechten Knecht, mit seinen Scharen Schar, mit seinen Völkern Volk vor ihm zu tragen!
Wohl, Not bleibt Not. Die aber brüderlich sie wagen,
Die nährt sie Herz um Herz mit Lebens Brot.
IV
Bereitsein, das ist mehr als Herzens Blühn und Beten
Und weicher Träume Spiel,
Ist Tag und Tagewerk, ist Weg und die ihn treten,
Und was wir Kleinstes tun, naht oder fernt das Ziel.
Doch unsrer Arbeit Herrn und Knechte fragen
Allerst, was sich an Macht aus ihr gewinnt.
Ob unser Leib nur heil drin fährt, wie vielen gilt das gleich!
Und wo sind sie, die ihre Sorge wagen
In sich und dir und mir an Gottes Kind,
Was es im Tagwerk Heil gewinnen mag?
An Gottes Reich,
Ob unser Werk bereit ist seinem Tag?
V
Ich ging durch Not der Schlacht und Hungers Not,
Ich schmeckte meinen bittern Brocken Tod.
Ach Hilfe, armes Brot,
Unsatt von dir, unmächtig kniet ich bei Verzehrten,
Die niegewährten
Gebete in die stumme Höhe weinend.
Doch einmal schrak ich hoch. Ein Schimmer riß
Quer durch die Finsternis
Den Himmel auf, und ein Gesicht erscheinend
Warf mich mit Lichts Gewalt zurück in tiefre Beuge.
Mir blieb kein Zug, nur jenes Wort gewiß,
Das mir das Herz umschlossen: »Ich bin Zeuge.«
VI
Den Gott verleugnet immerhin!
Er dauert erzen.
Doch eures eignen Kampfes einender Sinn
Läßt sich verscherzen.
Ja ringt euch auf aus schwarz ergoßner Not!
Doch ringt ihr nicht um mehr als Haus und Kleid und Brot,
Dann weh uns allen:
Ihr klimmt aus Nacht, um neu in Nacht zu fallen.
O möcht ich noch den schauen, der euch führt
Den Gipfel an, der eurem schweren Stieg gebührt:
Ein Licht von ewig fährt hoch über unsrer Qual,
Des Bundes Berg allein ragt in den Strahl.
VII
Die Frager:
Geschwisterlich in Kindschaft Gottes gehn,
Ist es so schwer?
So viele hobens an: vorm Ziel verging ihr Schritt.
Ach, immer wohl muß uns das Reich verschlossen sein!
Der Rufer:
Die Tore seh ich allen offen stehn,
Ja: einzig allen. Wer
Führt alle mit?
Wir gehn den letzten Schritt nur insgemein.
Solang noch einer fehlt, läßt uns das Ziel nicht ein.
Doch galt und gilt noch: keine Sprache spricht
So fremd als die, die aus der Heimat aller bricht.
Wer wie mit allen geht, er geht allein.
VIII
Die Frager:
Schon lang, zu lang
Erschallt es: haltet euch bereit!
Wir sahens ja:
Vorüber rollte stumpf an Frist um Frist die Zeit.
Die Rufer täuschten uns zu oft mit hohem Klang
Und blankem Bilde naher Seligkeit.
Der Rufer:
Wißt ihr, ob Schein sie dang?
Kreuzweg um Kreuzweg, war das Reich nicht nah
Und trieb herüber Stimmen und Gesichte?
Der Dichter hob den Sang,
Der Seher wies die Richte,
Doch ging im Weg kein Volk, das hörte und das sah.
IX
Die Frager:
Wird heut denn neues Wort?
Der Rufer:
Uralter Spruch, der uns im Blute schweigt,
Verjüngt sich nun und hier wie dann und dort.
Entgegen steigt uralter Menschgestalt,
Die immer neu verwandelndem Schoß entsteigt,
Das Wort in immer neu geborener Gewalt.
Die Frager:
Ist dies denn Wendezeit?
Der Rufer:
Wann je das Innen recht ins Außen faßt,
Ist Welt im Heil zu Gast.
Sind wir nur dem Bereiteten bereit,
Alltag in Ewigkeit
Ist jede Stunde unsre Zeit.