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Die zwiefache Heimat

[1930]

 

I

Die Völker rafften ein mit vollen Händen
Von Volk nach Volk sein schaffend Herzverschwenden.
Wem boten sie wie euch den kalten Haß zu Dank?
Wem ward der kleinste Krank
So schwer gewogen und so leicht gediegene Spenden?
Seid des getrost:
Ihr beiden habt das strengste Maß erlost.
Und das mit glühem Eisen euch in Stirnen sie gemarkt,
Das Mal der Fremdlingschaft –
Wer Gottes Zeichen ahnt, der liest es: Volk der Kraft,
Verfemt, in Flucht, in Haft,
Volk, drin das Reich der Völker still zu sich erstarkt.

 

II

Euch standen Seher auf und kündeten,
Wie Gottes herbstes Recht und Gottes gnädige Wahl
Sich zum Geschicke euch verbündeten. –
Erwählte heißen heut die Völker allzumal,
Und jedem wuchs vom Innersten ein Schein,
Der lohte himmelwärts
Und wehte aus ein selig Prophezein
Und eigner reiner Waltung Weltgesichte.
Doch welches bebte so im inneren Gerichte
Und welchem kehrte sich so wie euch zwein
Die eigne Sprache furchtbar gegens Herz,
Mit Feuer es durchbohrend und mit Lichte?

 

III

Dem Tabor sang ich, den des Juden Hymne weiht:
Gleich dir des Herrn Gerechtigkeit.
Und sang dem Rheine, den des Deutschen Hymne preist:
Des Landes flutender Heldengeist.
Wie schied ich noch den Kuß
Von Himmels Glut auf Berges Haupt, von Himmels Glanz im Fluß?
In meinem Blut und Geist und Wort
Wie schied ich je die Kraft von da und dort?
Wo sichs bestreitet, klirrts mir mitteninne,
In mir kniet Sieg bei Untergang und weint.
Und weht um beide Friedenshauch der höchsten Minne,
Bin ich geeint.


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