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Nachtwache

Mußt ich drum das beschattete Herz
Mir flüchten aus Schaudern des Tags,
Drin wir, uns quälend einander
Mehr als segnend,
Dennoch uns fühlten und sahn
Und Stimmen schickten –
Drum: daß nun in erloschner Stadt,
Umgetrieben von fremdem Fluch,
Härtern Schauder mit den wanken
Gliedern ich bestehen soll?

Auf schließt es mir brennenden Blick
Ins Verborgene, macht mich schaun
Toter Fenster giftig Erblühn
Mit Gespensterlicht von innen:
Zerbrochen Gottes All
In Sphären der Träume,
Da kein Bote
Herüber, hinüber Schwingen hat.

Einsam verklären sich, nirgend
Hin sich spendend, die Reinen, einsam
Heile Kinder. Hohlgefühl
Wird den Liebenden erschrecken,
Des lebendiger Same
Sich in heillosen Schein ergießt.
Aber ohne Begegnung, herrisch,
Rast das Böse in eigner Welt.

Unabwehrbar leuchten und drohn
Abgeschwebte Masken der Schläfer
Blicklos hinüber
In nachbarlicher Schläfer Blick.
Wehrlos sinken rings ihre Bilder,
Bloß vor Fingern des Zorns
Und verwiesener Gierden,
Hin in des Fremdesten Traum.

Könnt ich euch wecken
Mit Hornruf der Angst
Oder entrisse auch mich
Das Grauen in Schlaf!
Wacht denn keiner mit mir?
Aber da fühl ichs
Tief mir im Innern erhauchen,
Kühl mich umflügeln.
Anzuflehendes, anzulobendes
Leben fühl ich da wach:
Retterin, dich,

Heilige, heilende Luft,
Immer gemeinsam!
Ströme du ein und aus
Die erblindeten Leiber,
Und den Keuchenden auch,
Verlaß ihn nicht,
Dem durchs Wühlen und Ringen
Blutgeborner Gesichte
Der Alp auf den Hals kniet,
Deine Bahnen verschüttend mit Entsetzen!

Wahr sind die Heimlichen, denen Nacht
Sprengte die Haft. Aber wohl,
Dunkles Wehen des Schöpfermundes,
Heimlicher wahr bist du,
Wie du mächtiger Geduld
Durch das Sausen der Furcht hin
Niedertauchst in verschloßne Brust,
Und sie kennt dich nicht.
Du aber findest am Grunde,
Es zu lieben, es zu nähren,
Das furchtlos Harrende auf.

Segen, zu schlummern in dir,
Der Preisgegebenen du
Nie schlafende Hut,
Du in den Verstummten
Leise, ewige Rede,
Zwischen den Einsamen du
Stetes Schweben!
Segen, zu wachen mit dir –
Bis, ich seh's, des verheißenen Lichtes
Erste, scheueste Strahlen
Dich erhellen um unsre Stadt.


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