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Sprüche

 

I

Laß, was du hassest, gewähren
Und was du liebst,
Und du selber wirst gelassen innen.
Soviel du in deine Sphären
Freiheit gibst,
Wirst du eigene Freiheit gewinnen.

 

II

Ewig ist alles
Und offenbart –
Gehorche, Seele!
Ratlos ist alles
Vor Gegenwart –
Sprich die Befehle!

 

III

In alles sich wandeln
Und sein Selbst doch
Nicht verlieren –
In allem sich wahren
Und im Selbst doch
Nicht gefrieren –
Wer jedes
Nur mag erschwingen
Zu seiner Zeit –
Durch beides
Wird ihm gelingen
Gerechtigkeit.

 

IV

»Etwas, begrübelt manches Jahr,
Gestern wußt ich es plötzlich klar.
Ich kann mich nicht mehr drauf besinnen,
Was es war,
Und doch spür ich die Klarheit innen.« –
Als du es ganz und gar besessen,
Da hast du's in dein Blut vergessen.

 

V

»Wie werd ich das erkennen,
Wovon mein Blut mich trennt?« –
Du wirst an vieles dich binden,
Bis dich das Fremde brennt. –
»Wie aber werd ich das finden,
Womit mein Blut mich eint?« –
Du wirst von allem dich trennen,
Bis das Bild in dir erscheint.

 

VI

Wer Menschen erspähen will,
Vor dem schließt das Wesen sich zu.
Weile nur still
Im Ich-und-Du.
Mach dir vom andern kein Bild,
Und er wird dich mit Bild begaben,
Weil hier kein Sehen gilt,
Nur Gesehenhaben.

 

VII

Überall trägt dich das schwere Geäst,
Greif Beginn oder Mitte, tritt zart oder fest.
Doch willst du empor an leichtern Zweigen,
Bemiß die Wucht in deinem Steigen.
Kannst ihre Mitte schon nicht mehr nützen,
Immer dich nur auf den Ursprung stützen.
Scheints auch gleich kräftig weiterhin,
Traue nicht ihrem Eigensinn.
Nur wo sie dem Stamm, dem Ganzen, entspringen
Mag leichter Tritt und Zug gelingen.

 

VIII

Kein Ding
Ist so gering,
Daß es nicht eine Mitte enthält
Der unendlichen Welt.

 

IX

»Schwach, wie schwach ist das Licht.
Was macht dich hoffen und tun?« –
Ich hoff und fürchte nicht. –
»So laß doch die Arme ruhn!« –
Das ist des Lichtes Kraft,
Daß es mit meinen Armen schafft.

 

X

Zerschellt
An starrer Welt
Ohnmächtig
Sinkt dein Wille
In dich zurück.
Namlos verstoßen
Im Hoffnungslosen
Wirkt er nächtig
Und eint in der Stille
Das Glück.

 

XI

Was auch mißlungen,
Nenns nicht verloren.
Was niedergerungen,
Wird wiedergeboren.
Im Tod schiens beschlossen,
Bis du es erlesen;
Nun jagt das alte Wesen
Sein Ziel auf frischen Rossen.
Belebt an deinem Blick
Wieder wirkt es und leidet,
Und immer entscheidet
Sich neu das Geschick.

 

XII

Du verzehrst dich in Klagen
Um unrecht Gerichte,
Um Helden der Geschichte,
In Wüsten verstreut.
Da dehnen die Sagen
Sich lebendig zum Lichte,
Die Mauer ist durchstoßen,
Da stürmen die Großen
Durch dein Herz in das Heut.

 

XIII

»Dein Herz gepreßt, geworfen und geknetet,
Was macht, daß Dank dir noch im Blicke betet?« –
Was mich erschreckt, wenn solche Leiden enden:
An meinem Herzen Spuren wie von Händen.

 

XIV

Wen fliehen macht der heiligen Stimme Härte,
Der kostet nicht des heiligen Herzens Zärte.
In Schaudern Harrenden Gnade überschauert.
In Feuern Schwindender glänzt auf und dauert.

 

XV

»Der du mit Fragen Erd und Himmel stürmtest,
Die antwortlosen Widersprüche türmtest,
Was schlug den Trotz dir, riß dich aus dem Grimme?
Kam dir denn nun ein Wort?« –
      Nein, eine Stimme.


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