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Lieder und Gesänge

 

Frühe Begegnung

Noch seh ich dich im Hag,
O Lichtumwehte:
Wie zärtlich lag
Die Hand dir überm Beete
Liebkosend ohn Berühren
Die volle Bluht,
Die dich zu spüren
Blindselig dich umruht.

Der ich so rascher Hand
Mir jede Blume
In Kranz verwand –
Wie vor dem Heiligtume
Was hielt mich hier in Scheue?
Schaun war genug
Dem, der schon Treue,
Die er nicht ahnte, trug.

Was war in Herzens Nacht
Mir da gesegnet,
Daß ich ohn Acht
Ein Kind, das mir begegnet,
Bei deinem Namen nannte?
Behütet war
Die unerkannte
Knospe dem rechten Jahr.

 

Verheißung

Dein Aug verhingen
Die Wimpern feierlich,
Drin selige Strahlen fingen
Und dämmten sich.

Ich ahne Flut,
Die hell in dir verhalten
Und immer wogend ruht.
Gestirne walten

Sinkens und Steigens.
Bestimmt ist meine Zeit
In Regeln ihres Reigens,
Da Einsamkeit

Ertrinkt in Licht
Und über alle Grenzen
Die heilige See mir bricht,
In mir zu glänzen.

 

Anbruch

Unverbrüchlich Bild der Einung,
Schicksal bürgende Erscheinung:
Wie in jenen Morgenwochen
Du ins Wachen aufgebrochen
Vor mir gingst vom Strahl gefeit
Festlicher Entschiedenheit!

Aus dem Schweigen welcher Weiten
Griff die Regel unsre Zeiten,
Hob dein Antlitz, bog es nieder
Wie in ungewußtem Kranz;
Durch die Regung deiner Glieder
Ging ein heimlich heiliger Tanz.

Jeder Blick war da notwendig,
Lebens Abgrund drin lebendig,
All dein Nahen und Entfernen
Me ein Stundenschlag aus Sternen,
Daß ich grad ins Recht gebannt
Ohne Wank im Feuer stand.

Und aus Flammen ging dein Bildnis
Fern mit mir in Liebes Wildnis:
Daß dem Irrsal ich entnommen,
Eingeweiht, zu dir zu kommen,
Und dem Ort bereitet ward,
Wo du mich mit Gott erharrt.

 

Die lebendige Botschaft

Wir saßen mit Gesellen
Und nahmen uns in Hut,
Unkenntlich zu verstellen
Das innre, warme Gut.
Wir schauten nach den andern
Und fühlten uns entwandern
Den leisen, klaren Hauch von Blut zu Blut.

Das leichte Kätzchen hielt ich
Im Schoß, da lags mit Ruh.
Im grauen Nacken spielt ich
Und dachte »Du« und »Du«.
Da wars, als würd es inne
Meiner geheimen Minne,
So kehrte es sich biegsam um, dir zu.

Und lag nun recht verloren,
Die Augen funkelnd groß.
Dann steift es hoch die Ohren,
Dann macht es ernst sich los.
Lief über Schöß und Stühle
Wie zu gewissem Ziele
Und ließ sich schnurrend hin in deinen Schoß.

»Jetzt müssen sie's entdecken,
Jetzt riß es sich vom Zaum!«
Mir flimmerte vor Schrecken
Und Wundern bunt der Raum,
Als wär, umsonst verschwiegen,
Mir aus der Brust gestiegen
Und ginge leibhaft außer mir mein Traum.

Sie wandten nicht die Köpfe –
Du kanntest zärtlich nur
Im fühlenden Geschöpfe
Den unbewußten Schwur.
Nimm Winde so und Sterne!
Den Liebenden wird gerne
Zur Sprache alle schöne Kreatur.

 

Nach Süden

In Verstoßenheit
      stet vertraun –
Weither flüsterts mir,
      und ich kann es.
Deine Boten gehn
      heil im Graun,
Waltest ruhevoll
      meines Bannes.

Fleh ich täglich um
      Sänftigung,
Die verzehrter Brust
      sich erbarme,
Immer schließt mich auch
      Dämmerung
In den Kindesernst
      deiner Arme.

Dunkel läuft der Wind
      deines Munds
Nacht für Nacht gen Nord
      durch die Firne.
Über das Gebirg
      zwischen uns
Geht dein Antlitz auf
      im Gestirne.

 

Lied ohne Sinn

Mir in Mund kam Melodie,
Kam von dir, ich weiß nicht wie,
Ruft dich fernhin ohne Namen –
Hör und ach empfange sie!

Dir zu sagen hat sie nichts,
Ist ein Hauch nur deines Lichts,
Dich umflügelnd durch den Schatten
Des geneigten Angesichts.

Wie sie nur sich selber bringt,
Sich genug ist, da sie schwingt,
Halte still, wenn sich die blinde
In dein Herz hinübersingt.

 

Schlaflied

Wenn du ruhen mußt.
Weil ich dich müd geküßt,
Sink in meine Brust
An Herzens Stelle:
Schwebend hinzuliegen,
Wo mein Geblüt dich küßt,
Leise dich zu wiegen
Auf meinen Atemzügen
In Traumes Helle.

 

Dank

Du bist die Botschaft mir in jeglichem Geschick,
Im Leib der Welt das Herz, das drängt an meines,
Im Brausen du das Wort, im Lichte du der Blick,
Hand, drin sich alles Wesen hängt an meines.

Du bist das Strömende in dürr zerfallne Zeit,
Bist, was des Himmels Flut bewegt zu sinken,
Und feuchter Schlaf und rauschende Vergessenheit
Der offnen Lande, die sie in sich trinken.

Aus jedem Ende tauchst du mit Erneuerung,
In jede Finsternis mit Morgenblicken.
Aus aller Sonne hauchst du mir Befeuerung,
In allem Schatten wehst du mir Erquicken.

Du schließt mich ein im Schnee, du schmilzt mich auf im Lenz,
Mit Trennen Retterin und mit Begegnen.
An dir hat teil die Gnade allen Elements –
Du gnadest mir, und alles kommt mich segnen.

 

Lösung

Versiegelt trug ich innen
Den gnadenvollen Schrein,
Nah und nicht zu gewinnen,
Last in mir und nicht mein.

Die Siegel nicht zu brechen
Hielt eine Scham mich wach,
Das Wort nicht auszusprechen,
Das sich nicht selber sprach.

Ein Sträuben und ein Grauen
Verwandte mir den Blick –
Du kamst, da kam Vertrauen
Und kehrte ihn zurück.

Und ließ mein Gut mich kennen,
Als du vom nächtigen Hort
Mit langem, leisem Brennen
Schmolzest die Siegel fort.

Da sprang die schwere Türe,
Da quoll aus vollem Schrein,
Daß ichs im Innern spüre,
Der endlich freie Schein.

Nun stäubt der Sonnen-Same
Sich aus in meinen Grund,
Drängt der verschwiegne Name
Sich flüsternd mir zum Mund.

Du gabst mir zu erkennen
Aus meinem Ursprung mich
Und Atem, Gott zu nennen,
Und Dank an Gott für dich.

 

Mit dir

Der Tag, den ich ersehe
      mit dir, ist schön.
Die Wege, die ich gehe
      mit dir, sind schön.
Und Meer, darin ich schwimme,
      und Grat, zu dem ich klimme,
Und Leid, das ich bestehe
      mit dir, ist schön.

Der Fehl, den ich erkenne
      mit dir, wird heil.
Der Blitz, darin ich brenne
      mit dir, macht heil.
Und Donner will uns hüten,
      und Wunden werden Blüten,
Und Nacht, drin ich vergehe
      mit dir, wird schön.

Untragbars zu erheben,
      weiß dein Gebet.
Wohl, dir ist Macht gegeben
      und solch Gebet,
Daß ihr Gestirn aufschlagen
      die Himmel, wenn wir klagen,
Und Abgrund, draus ich flehe
      mit dir, wird schön.

 

Bild

Wer ist wie du
Ähnlich seiner Kindheit?
Wessen Reife umschwebt
Purer Hauch der Blüte so?
Wem schimmert durch die Wandlung
So stetes Herz?

Wie niemals verbannt aus
Der klaren Wildnis des Ursprungs
Trägst du mitten durch wirre Städte
Lautere Frühe deines Blicks
Und über schmalen Gliedern
Des großen Friedens Bild,
Deine Stirne unversehrt.

Wehrlos bist du geschirmt.
So scheu deine Zucht sei,
Ja bist du geöffnet
In Lächeln uferlos.
So fremd du weichen magst,
Deine Schenkel gehn wie niegescheuchte Rehe.
Durch unsre irrenden Straßen
Wissen deine Füße die schlichte Bahn.
Und zu deinen Wegen ziehn sich
Die Haine der Unschuld.

Dich erkennt kein trüber Blick.
Dem Geiste der Schulden und Qualen,
Begegnet er dir,
Erwachen, dich anzuschaun,
In den Augen die lang versunkenen
Blicke seiner Engelschaft.
Glanzlos wie Wahrheit
In sich weilt deines Leibes Licht
Und erschüttert ruhend
Die schwere Dämmerung unsrer Welt.


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