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Fünfundzwanzigstes Kapitel

Wie Herr Jobs ärmlich herumwandert, und wie er endlich im Dorfe Schönhain ankommt

Weil Herr von Ohnwitz sich im neutralen Lande
Mit seiner Gemahlin bald sicher befande
Und nun auch, wie gesagt, mit einem paar
Hundert Gulden bar noch versehen war,

So wollen wir diesmal von ihm abbrechen
Und nur vorerst vom Herrn Pfarrer Jobs sprechen,
Denn dieser war bei seiner Flucht durchaus
So blutarm wie eine Kirchenmaus.

Er setzte tagtäglich seinen Wanderstab weiter,
Blieb aber dabei immer ruhig und heiter,
Schlief sanft und tröstete damit sich:
Der Himmel läßt die Seinen nicht im Stich.

Erst besuchte er auf der Reise hin und wieder
Die Herren Geistlichen als seine Amtsbrüder,
Aber fast alle schickten ihn ohne Geld und Kost fort,
Bloß mit einem geistlichen Trostwort.

Drum suchte er hernächst die Priester und Leviten
Auf seiner Wanderung möglichst zu verhüten,
Denn er traf durchgehends beim Samaritan
Größers Mitleid und mehr Teilnahme an.

Auch fand er in kleinen ländlichen Hütten,
Ohne lange drum zu betteln und zu bitten,
Ein freundlicher Gesicht und besser Quartier
Als beim reichen Bürger oder Kavalier.

Zwar versäumte er nicht, in Schlössern und Städten
Bei Vornehmen anfänglich einzutreten,
Und bote seine Dienste als Kapellan
Oder etwa als Informator an.

Aber er hat nirgend Aufnahme gefunden,
Man hielt ihn vielmehr für 'nen Vagabunden,
Fragte nach seinem Reisepaß
Und sagte ihm, ich weiß nicht alles was.

Am sechszehnten Tage der Jobsischen Hegire
Kam er nachmittags zwischen drei und viere
Bei einem an der Tür sitzenden alten Mann
Hungrig und durstig in 'nem Dorfe an.

Der hat ihn sehr treuherzig invitieret,
Ihn zu seiner Gattin ins Häuslein geführet,
Und diese machte freundlich alsbald
Zu seiner Erquickung einige Anstalt.

Er bekam Milchsuppe, Brot und gekochte Eier,
Erzählte mittlerweile seine Abenteuer,
Und sowohl der Mann als seine Frau
Horchten drauf, was er erzählte, genau.

Beide waren schon grau von Haaren,
Hatten selbst manches Ungemach erfahren
Und lebten höchst einförmig und knapp
Von dem, was ihre kleine Hufe gab.

Doch baten sie ihren Gast, sich zu bequemen,
Auch das Nachtquartier bei ihnen zu nehmen,
Und daß eine sammetweiche Moosstreu
Ihm in ihrer Hütte schon zu Dienste sei.

Dies hat er ihnen denn auch zugesaget,
Weil ihm ihr Betragen außerordentlich behaget;
Ja, es kam ihm natürlich vor, es sei dies
Ein Paar, wie weiland Philemon und Baucis.

Der fromme Greis mit seinem guten Weibe
Erzählten ihrem Gaste zum Zeitvertreibe
Manches aus alter und neuerer Zeit,
Auch sprach man von des Dorfes Gelegenheit.

Besonders vom Schloß Schönhain, das man in der Nähe
Zwischen dem Lindengebüsch auf'm Hügel dort sähe,
Und daß allda der vorige Schössermann
Den Bauern viel Herzeleid angetan.

Aber der jetzige Herr Amtsschösser
Sei kein solcher Schinder noch Bauernfresser;
Sondern grade, als wenn man seinesgleichen sei,
Könne jeder Bauer mit ihm sprechen frei.

Als Herr Jobs nach dem Gutsbesitzer gefraget,
Haben die alten Leutchen ihm zur Antwort gesaget,
Eine Dame von gar vortrefflichem Sinn
Seie davon die Besitzerin.

Sie erzählten zu ihrem Ruhme und Lobe
Manche preiswürdige schöne Probe,
Versicherten ihm dabei zugleich,
Man halte sie für unermeßlich reich.

Aber leider sei sie schon lange kränklich,
Und ihr Zustand werde täglich mehr bedenklich,
Und schon habe man ein Vorgeschäft gesehn,
Daß sie bald würde von hinnen gehn.

Herr Jobs spürte die herzlichste Teilnahme
An dem Schicksale dieser so würdigen Dame
Und nahm sich alsbald fest für,
Morgen einen Besuch zu machen bei ihr.

Er vermied zwar gern große Häuser und Schlösser,
Trauete auch keinem herrschaftlichen Schösser;
Aber man hat doch nie eine Regulam,
Oder sie leidet wohl eine Ausnahm'.

Unter solchen und dergleichen Gesprächen
Sah man endlich die Nacht hereinbrechen,
Und Hieronimus ruhte auf der Streu von Moos
So sanft, als läg' er in Abrahams Schoß.

Als er morgens etwas späte erwachet,
Hat er sich aus dem Moose aufgemachet,
Ergriff seinen knotigen Wanderstab,
Drückte dem Wirt dankbar die Hand und reisete ab.

Er wandte sich zum Schlosse zwischen den Linden,
Um sich wegen der Dame näher zu erkünden;
Denn es ware, als zöge ihn
Ein unwiderstehlicher Trieb dahin.


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