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Wie aus obgedachter Liebschaft endelich gar ein Siegwartsfieber entstehet
Die Liebe des Barons und der Mamsell Esther
Wurde nun tagtäglich stärker und fester,
Nachdem man auf der schlüpfrigen Liebesbahn
Den ersten und schweresten Schritt getan.
Schon gleich auf die wechselseitigen Entschlüsse,
Sich ewig zu lieben, folgten einige Küsse,
So wie nach dem gemeinen Sprichwort auf A B,
Wie schon die Kinder wissen, folgt das C D.
Man hat alle Gelegenheit wahrgenommen,
Oft beieinander- und zusammenzukommen,
Und der junge Herr hatte fortan nun
Immer was im Pfarrhaus zu tun.
Es traf sich bei seinen Besuchen auf der Pfarre,
Daß Herr Jobs meistens nicht zu Hause ware,
Oder daß er auf seiner Studierstube saß
Und für sich andächtig studierte oder las.
Aber der artige, liebe junge Herre
Bat ausdrücklich, daß man ihn ja nicht störe,
Viel weniger daß er es übel nahm,
Wenn Herr Jobs nicht 'runter zu ihm kam.
Denn die eigentlichen importanten Sachen,
Welche er im Pfarrhause hatte auszumachen,
Gehörten wenigstens das meiste Mal
In des Gott Amors Kameral.
Auch Jungfer Esther hat fast alle Wochen
Mehrmals ins herrschaftliche Schloß eingesprochen,
Wenn etwa ein Geschäft sie dazu veranließ,
Und hatte sie kein Geschäft, so machte sie's.
Man konferiere über diesen besondern Titel
Die Verse 9 bis 16 im fünften Kapitel,
Woselbst ich schon lang und breit beschrieb,
Wie der Baron seine Besuche betrieb.
Um ja im Liebeswandel nichts zu versäumen,
Taten sie gar des Nachts voneinander träumen,
Und da wurde dann, was des Tages passiert,
Des Nachts weitläufiger ausgeführt.
Er, um seiner noch besser zu gedenken,
Überreichte ihr manche schöne Geschenken,
Zum Beispiel einen herrlichen Brillantring
Und viele andre Galanterieding'.
Weil es ihr aber an Golde und Juwelen
Vielleicht dermalen mochte fehlen,
So flochte sie ihm dafür fein und rar
Einen Ring von ihrem eignen Haar.
Er gab ihr auch eingefaßt im goldnen Rahmen
Sein Porträt nebst dem Zug von seinem Namen,
Nahm dagegen beim Lichte an der Wand
Ihre Silhouette mit eigner hoher Hand.
Viele Liebende müssen sich bequemen,
Mit solchen Kleinigkeiten vorlieb zu nehmen,
Denn eine Kopie ist doch allenfalls
Ein Behelf in Ermanglung des Originals.
(Apropos! ich will einmal probieren,
Drüber ein bißchen zu physiognomisieren,
Denn in diesem tiefsinnigen Studium
Bin ich so wenig als Herr Lavater dumm.)
Man sieht in dem etwas zurückstehenden Hute
Gar deutliche Züge vom Edelmute,
Und es zeugt die gerundete große Stirn
Vom drinliegenden guten Gehirn.
Die etwas hervorstehenden Augbraunen
Beweisen ein Mädchen von muntern Launen,
Und das Näschen, etwas mehr stumpf als spitz,
Zeigt eine künftige Frau von Ohnewitz.
Das hier kaum bemerkbare Backengrübchen
Beweiset ein immer freundliches Liebchen,
Und der ein wenig geöffnete Mund
Machet süße Gesprächigkeit kund.
Die ein wenig hängende Unterlippe
Zeigt an, daß sie sei keine Xantippe,
Sondern daß etwas Hang zur Schwärmerei
In ihrem sanften Temperamente sei.
Die nette Ründung und das Pünktchen am Kinne
Deutet auf etwaigen Hang zur Minne,
Und die ziemliche Stärke des Hinterkopfs
Zeiget deutlich an eine noch Jungfer Jobs.
Das hangende Haar auf Nacken und Rücken
Scheint ein
je ne sais quoi auszudrücken,
Und des Halses und der Brust Kontur
Deutet auf eine gute Natur.
Der Baron machte also, wie leicht zu ermessen,
In seiner Liebe erstaunliche Progressen,
Verfertigte auch manches Schäfergedicht,
Wo beim Lesen einem das Herz schier bricht.
Oft wandelten sie in einsamen Feldern
Oder spazierten in schattigen Wäldern
Hand in Hand und Arm in Arm
Und wurden inner- und äußerlich warm.
Auch an sanft rieselnden Silberbächen
Pflegten sie über ihre Liebe sich zu besprechen,
Und, siehe da, ihr zärtliches Gespräch ergoß
Sich so sanft und glatt, wie der Bach floß.
Oder sie sanken aufs weiche Moos nieder,
Hörten des Hänflings und andrer Vögel Lieder
Und ahmten ihnen in der zärtlichen Klag',
Soviel als es nur menschmöglich war, nach.
Am zärtlichsten waren ihre Wechselgefühle
Auf den Wanderschaften in der Abendkühle
Bei dem melodisch rührenden Schall
Der Philomel', sonst genannt Nachtigall.
Sie saßen auch in mancher Abendstunde
Unterm blauen Himmel mit offnem Munde,
Tranken des Mondes Silberschein
Und das Flimmern der lieben Sternelein
Man sehe das Titelkupfer zum dritten Teile..
Oder sie saßen und liebelten in der Laube
Wie ein trauter Tauber und eine zärtliche Taube,
Und dann schmolzen ihre Herzen stracks
Ineinander wie Unschlitt und Wachs.
Oder sie weilten in der abgelegnen Grotte,
Spielten daselbst fast den Werther und die Lotte
Und hantierten und koseten so süß,
Wie vielleicht Adam und Eva im Paradies.
Kurz, das Liebesleben ging je länger je lieber,
Ward endlich ein ordentliches Siegwartsfieber,
Denn diese gar närrische Krankheit
Grassierte ohnedem damals weit und breit.
Oft traf der Baron sein Mädchen bei der Toilette,
Einmal überraschte er sie gar im Bette,
Jedoch bei aller dieser verdächtigen Liebschaft
Behielte Esther ihre Jungferschaft.
Überhaupt versichere ich's hoch und teuer:
So groß auch ware ihrer Liebe Feuer,
So ward doch dadurch in der Tugendpflicht
Kein unglücklicher Brand angericht't.
Bei allem dem war die Aussicht ihrer Liebe
Im ganzen genommen sehr nebligt und trübe,
Denn man kam mit allem diesen Spiel
Doch nicht zum reellen Zweck und Ziel.
Denn Hieronimus konnte dies Bündnis nicht billigen,
Die gnädigen Eltern noch weniger einwilligen,
Es blieb also bloß bei den Präliminarien,
Ohne im Hauptartikel weiterzugehn.
Da kann man nun leicht bei sich gedenken,
Wie sehr das den guten Kindern mußte kränken
Und wie allgemach ein heimlicher Gram
Bei dem einen und der andern überhandnahm.
Der arme junge Herr, wie weiland Werther,
Besuchte einsame melancholische Örter,
Und die noch ärmere Esther weinte baß
In der Einsamkeit ihre Äugelein naß.
Indessen war nichts übrig, als sich zu fassen
Und das Ende dem Schicksale zu überlassen,
Und man kam darinnen überein,
Sich auf künft'ge bessere Zeiten zu freun.
So kann man nun hier das Rätsel lösen,
Was die Kapitel 6 und 7 beschriebne Krankheit gewesen,
Von der kein studierter Arzt den Grund fund
Und noch weniger sie kurieren kunnt.