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Vierzehntes Kapitel

Wie Herr Hieronimus mit seiner Schwester ein Kapitel hält, ohne jedoch so niederträchtig zu schimpfen, wie mancher andere in seiner Stelle würde getan haben und hier anfangs zu lesen ist

»Schämst du dich nicht, du liederliche Metze!
Du et cetra! du schmutzige Petze!
Ist denn all' Ehre, Reputation und Respekt
In deinem jungfräulichen Herzen verreckt?

Pfui dich! ba! du garstige Esther!
Es verdreußt mich, zu han eine solche Schwester,
Die wider alle Regeln der Moral
Treibet ein solch ärgerlich Skandal!

Was wird nun 's Publikum davon sagen,
Daß sich bei mir so 'n Ärgernis zugetragen?
Gibt es nicht für den Pfarrer zu Ohnewitz
Wegen seines Amtes Stank und Präjudiz?

Ich soll, wird man nun sagen, als Paster
Bestrafen andrer Leute Fehler und Laster,
Und doch treibt's in meinem eignen Haus
Meine Schwester so malhonett und kraus!

Du hast doch die Kinderschuh schon verschlissen,
Müßtest längst weg sein über Tändeln und Küssen,
Und bist nach richtiger Rechnung bald
Sechsundzwanzig Jahr oder gar was drüber alt!

Oder meinest du etwa, daß ich es glaube,
Daß ein Mädel mit 'nem Buhler allein in der Laube,
Besonders zur Nachtzeit, was Gutes üb'?
Es heißt ja: Gelegenheit machet Dieb'!

Aber warte, ich will es schon verfügen,
Daß ihr sollt, ehe ihr's vermutet, kriegen,
Du sowohl als dein verliebter Hasenpfot,
Die hunderttausend Element Sackerlot!«

So hätte vielleicht mancher in Zorn und Eifer
Seine Drohung, Gift, Galle und Geifer
Über das arme Mädchen ausgeschütt';
Aber das tat Herr Pfarrer Hieronimus nit.

Er hielt es zwar für's erste nötige Mittel,
Mit seiner Schwester zu halten ein geheimes Kapitel,
Aber es geschah doch mit möglichstem Glimpf,
Ohne alle obige Drohung und Schimpf.

Nämlich, Herr Jobs hatte vollbracht unter viel Sorgen
Den Rest der Nacht, und entbot gleich am Morgen
Die Schwester zu sich nach der Studierstub',
Wo er das geheime Examen anhub.

Sie vermutete nur bloß häusliche Aufträge,
Denn sie glaubte, ihr Bruder hätte durch keine Wege
Von ihrer Liebe zum jungen Baron
Die geringste Nachricht noch Suspizion.

Sie erschien vor ihm etwas schüchtern,
Ihr Auge blickte noch ein wenig trübe und nüchtern
Wegen der nächtlichen Assemblée,
Und sie war noch im Negligé.

Herr Jobs wollte sie nicht zu sehr erschrecken,
Noch das erfahrne Abenteuer plötzlich aufdecken,
Denn er fürchtete vorerst davon
Eine gar zu heftige Alteration.

Sprach erst überhaupt von ihrem Lebenswandel,
Kam allgemach näher zum Liebeshandel,
Ging aber so vorsichtig herum dabei
Wie die Katze um einen heißen Brei.

Vorab mußt's ihm am meisten interessieren,
Sich ausdrücklich bei ihr zu informieren,
Ob bei verlassenen Händeln sie
Noch echt seie im puncto puncti.

Da versicherte sie nun unter vielen Tränen,
Mit unterbrochnem Schlucksen, Händeringen und Stöhnen,
Daß bei aller geschehenen Liebelei
Noch res integra in puncto puncti sei.

Ich wette, jedes andre Mädchen hätte
Noch alles übrige geleugnet an ihrer Stätte,
Nach der wohlerfundenen prima regula
Juris: Si fecisti, nega.

Aber Esther hatte ein zu gutes Herze,
Das, gar bei gegenwärtiger Scham und Schmerze,
Doch haßte jeden Lug und Betrug
Und für Wahrheit und Tugend schlug.

Sie gestund, daß schon seit vier Jahr und sechs Wochen
Sich der Baron ehelich mit ihr versprochen
Und daß sonst in allen Züchten und Treu'n
Gemeinet sei ihr geheimes Verein.

Zwar kenne sie längst gar wohl und wisse
Die große Schwierigkeit bei ihrem Bündnisse,
Doch habe der Baron und sie oft
Auf künft'gen guten Ausgang gehofft.

Ihr Gewissen gebe ihr übrigens das Zeugnis,
Daß nichts Strafbares sei in diesem Ereignis
Und daß der Baron sowohl als sie
Diese Liebe würden quittieren nie.

Sie sagte auch noch manches Spezielle
Über die hiebei vorgekommenen Fälle,
Kurz, sie tat aufrichtig Konfession
Über den ganzen Handel mit dem Baron.

Während der Relation ihrer Geschichte
Stieg manche Röte auf in ihrem Gesichte,
Und von ihren glühenden Wangen floß
Manche Träne wie 'ne Haselnuß groß.

Herr Jobs zeigte ihr mit vernünftigen Gründen,
Welche Obstakula vor ihrer Liebe stünden;
Obgleich er froh war, als er befand,
Daß die Sache selbst nicht noch ärger stand.