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Fünfundzwanzigstes Kapitel

Hieronimus soll Pastor werden. Item, Beschreibung seiner Pfarre

Siehe da! es starb der Pfarrer zu Ohnewitz plötzlich.
Dieser Vorfall ist zwar ganz entsetzlich,
Unglaublich und sehr kurios,
Aber doch in Romanen kein Wunder groß.

Der Ehrenmann hatte noch abends vorher gehalten
Eine gute Mahlzeit von Schinken und kalten
Hammelbraten mit Salat und Sellerei
Und ein Rebhühnle verzehrt dabei,

Auch seine täglich gewohnte zwei Rastatter Mäßle
Getrunken aus dem alten Rheinweinfäßle;
War also, Gottlob! weder krank noch voll,
Sondern befand sich bis dahin gesund und wohl;

Und seine Konstitution schien versprechen zu wollen,
Daß er ein alter Mann hätte werden sollen;
Denn er war sehr stark und korpulent
Und dacht' an nichts weniger als an sein End'.

Er hatte erst kaum 4 oder 5 Jahre
Lang genossen die Ohnwitzer Pfarre,
Und diese schlug bei dem lieben Mann
Ratione seiner Gesundheit trefflich an;

Um so mehr, da er vorher auf dem Lande
Lange in einer schmächtigen Pfarre stande:
Dabei blieb denn sein Bauch und Kinn,
Wie leicht zu schließen ist, mager und dünn.

Aber sobald er nach Ohnwitz gekommen,
Hat er augenscheinlich zugenommen,
Und die Nase, vorher blaß und spitz,
Ward bald rot und rund zu Ohnewitz.

Schade also, daß so schnell und behende
Der Tod mit ihm machte ein Ende
Und ihn aus diesem Jammertal
Transportierte in den Freudensaal!

Die gnädige Herrschaft lag noch im tiefen Schlafe,
Als diese Nachricht im Schlosse eintrafe,
Denn es war noch früh und höchstens nur
Des Morgens um 9 oder 10 Uhr.

Doch der junge Herr und Hieronimus waren schon lange
Auf einem unterhaltenden Spaziergange;
Denn sie glaubten dem Sprichwort fest:
Aurora musis amica est.

Sie fanden nach geendigtem Spazieren
Um halb 12 Uhr die Herrschaft dejeunieren,
Und Herr von Ohnwitz, als er Hieronimum sah,
Rief ihm laut zu: »Viktoria!

Ich gratuliere Ihm zur Ohnwitzer Pfarre!«
Hieronimus stund da vor Erstaunen wie ein Narre
Und wußte nicht eigentlich, ob dies da
Aus gnädigem Spaß oder Ernst geschah.

Aber er ließ sich bald näher überführen,
Daß es Ernst sei mit dem Gratulieren
Und für Spaß ihm hier nicht Not sei,
Sintemal der Pfarrer wirklich tot sei.

Nun überlege einmal der Leser mit kaltem Blute,
Wie da dem Hieronimus geworden zumute,
Als er so urplötzlich unverhofft da
Zum Pastor sich metamorphosiert sah.

Denn diese Pfarrei war einträglich und wichtig
Und trug jährlich ganz gewiß und richtig,
Ohne die Akzidenzien, rein
Blanke 900 Gulden ein.

Die Akzidenzien waren gleichfalls ansehnlich,
Etwa 100 Gulden pro Jahr gewöhnlich;
Also kamen nach der Summa Summarum draus
Des Jahrs zirka 1000 Gulden zu Haus.

Davon ließ sich nun sehr gemächlich leben,
Auch zum Sparpfennig etwas aufheben;
So daß sich kein Pfarrer im ganzen Land
So reputierlich als der Ohnwitzer stand.

Wenn etwa andre dorfgeistliche Herren
Sich von ihrem kleinen Dienstchen mußten kümmerlich nähren
Und bei Wasser oder höchstens Kofentbier
Krumm liegen und verdursten schier

Und kaum hatten, was sie am nötigsten brauchten,
Aus kurzen Tabakspfeifen ihren Kneller rauchten
Und bei Sauerkohl, Kartoffeln und Erbsenbrei
Sungen die erbärmlichste Litanei,

Da befand sich hingegen ein Ohnewitzer Paster
Bei seiner langen Pfeife mit virginischem Knaster
Und einem gut gefüllten Weinfaß
Und Schinken, Braten und Wildbret baß.

Dabei tät er in mächtig großem Ansehen,
Wie ein Klosterguardian, bei seinen Amtsbrüdern stehen,
Und bei der Synode oder bei dem Konvent
Bekam er das größte Kompliment.

Selbst wenn er auf dem freiherrlichen Schlosse
Visiten gab und Mahlzeiten genosse,
So saß er aus Regard während der Mahlzeit
Der gnädigen Frau immer nahe zur Seit'.

Der vorige Pfarrer wußte sowohl Junge als Alten
Vorzüglich in Furcht und Respekt zu halten
Und behauptete überall spat und früh
Seine Oberautorität in der Parochie;

Und bei vorfallenden Kindtaufenschmäusen
Oder bei Hochzeiten oder bei Leichenspeisen
Saß er obenan und führte immerfort,
Als wär' er in der Kirche, das große Wort.

Wer nicht wollte ganz nach seiner Pfeife tanzen,
Den pflegte er verblümt auf der Kanzel zu kuranzen,
So daß ihm Hören und Sehen verging
Und er aus Angst ein neues Leben anfing.

Er befand sich zwar weder kränklich noch gebrechlich,
Sondern gut bei Leibe, war aber sehr gemächlich;
Drum hielt er sich einen Kandidat als Kaplan,
Welcher die Pfarrdienste für ihn getan;

Aber Kopulationen, Taufen und derlei Pflichten
Pflegte er doch gewöhnlich in persona zu verrichten;
Wenigstens wohnte er der Schmauserei,
Welche dabei vorfiele, bei.

Er war übrigens in der Lehr' weder Heterodoxe
Noch im gemeinen Umgang ein knurrender Ochse,
Sondern führte seine Ohnwitzer Schäfelein
Auf 'ner Weide vom ketzerischen Unkraut rein;

Und seine Gemeinsgliederinnen,
Besonders junge, wurden oft innen
Seiner guten Laune, denn der lose Pastor
Machte ihnen manch Späschen, doch in Ehren, vor.

Kurz! ein Ohnwitzer Pfarrer lebt wie ein Engel,
Hat wenig Arbeit, denn sein Kirchensprengel
Ist nicht weitläuftig, sondern klein und eng,
Und der Kommunikanten ist 'ne geringe Meng'.

Er kann im Schlafrock, Pantoffeln und Nachtmützen
Im Großvaterstuhl fast den ganzen Tag sitzen
Und verrichten gewissenhaft allesamt,
Was da vorfällt in seinem Pfarreramt.

.

Nur des Sonntags einmal zu kanzlieren,
Alle Vierteljahr ein Paar zu kopulieren,
Nebst Taufen, Begraben und ein bißchen Kinderlehr',
Dieses ist alles und sonst kein Haar mehr.

Das Dorf selbst ist sehr herrlich gelegen,
Überall blühet und lachet der Segen,
Und alles, was die ländliche Natur
Schönes hat, zieret Ohnwitzens Flur.

Weiden, Wälder, Gebüsch und Gesträuche,
Schattige Haine, glatte Bäche und Teiche,
Wiesen, Obstgärten, Hügel und Tal,
Garten und Feld wechselt ab überall.

Da kann mit Vögelfangen und Fischereien
Sich der Pfarrer nach Gefallen zerstreuen,
Wenn ihn etwa ein sauers Amtsgeschäft
Zu sehr angegriffen und entkräft't;

Oder auch manchem Kirschvogel, Rebhuhn und Hasen
Das Lebenslicht auf der Jagd ausblasen;
Denn er hat Vogelfang, Jagd und Fischerei
Nebst Taubenflug bei seiner Pfarre frei.

Wenn er sich dabei gut insinuieret
Und die Bauern nicht zu sehr kujonieret,
So kann er mit Frau und Kinderlein
Bei einem oder andern täglich Gast sein.

Wir wollen also, was wir ohn' unsern Schaden auch können,
Dem Hieronimus sein künftiges Glücke gönnen
Und in dem folgenden Kapitelchen
Mit ihm ins geistliche Examen gehn.


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