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Wie Hieronimus einen Besuch bekam von Freund Hein, der ihn zur Ruhe brachte. Ein Kapitel, so gut als eine Leichenrede
Es ist gewesen schon sehr lange,
Wie uns Gelehrten bewußt ist, im Gange
Ein gar kluges Sprichwort, es hat's
Der alte Kirchenvater Horaz:
Sowohl gegen die Paläste der Großen
Als gegen die Hütten der Armen pflegt zu stoßen
Der überall bekannte Freund Hein
Mit seinem dürren Knochenbein.
Das will eigentlich nach dem Grundtext sagen:
Alles, was da lebt, wird zu Grabe getragen,
Sowohl der Monarch als der Untertan,
Sowohl der reiche als der arme Mann.
Sintemal Freund Hein pflegt unter beiden
Nicht das mindeste zu unterscheiden,
Sondern er nimmt alles weit und breit
Mit der strengsten Unparteilichkeit.
Und er pflegt immer schlau zu lauern
Sowohl auf den Kavalier als auf den Bauern,
Auf den Bettler und Großsultan,
Auf den Schneider und Tatarchan.
Und er geht mit der scharfen Sensen
Zu Lakaien und zu Exzellenzen,
Zu der gnädigen Frau und der Viehmagd
Ohne Distinktion auf die Jagd.
Es gilt bei ihm gar kein Verschonen,
Er achtet weder Knotenperücken noch Kronen,
Weder Doktorhut noch Hirschgeweih,
Zieraten der Köpfe mancherlei.
Er hat bei der Hand tausend und mehr Sachen,
Welche ein End' mit uns können machen;
Bald gibt ein Eisen, bald die Pest,
Bald eine Weinbeere uns den Rest.
Bald eine Krankheit, bald plötzlicher Schrecken,
Bald Arzeneien aus den Apotheken,
Bald Gift, bald Freude, bald Ärgernis,
Bald Liebe, bald ein toller Hundsbiß.
Bald ein Prozeß, bald eine blaue Bohne,
Bald eine böse Frau, bald eine Kanone,
Bald ein Strick, bald sonstige Gefahr,
Wofür uns alle der Himmel bewahr'.
Da helfen, um sich zu befreien,
Nicht d'Arçons schwimmende Battereien;
Denn Freund Hein, der hungrige Schelm,
Fürchtet weder Festung, Schild, Degen noch Helm.
Der Kommandant in den sieben Türnen,
Der Großwesir zwischen hundert Dirnen
Sowie Diogenes in seinem Faß
Waren alle für ihn ein Fraß.
So ist es von jeher gehört und gewesen,
Wie wir in den Geschichtbüchern können lesen:
Jakob Böhme und Aristoteles,
Klaus Narre und Demosthenes,
Der ungestalte Äsop und die schöne
Weltberühmte griechische Helene,
Der arme Job und König Salomon
Mußten endlich alle davon.
Kaiser Max und Jobs der Senater,
Virgil und Hans Sachs, mein Ältervater,
Der kleine David und große Goliath
Starben alle, teils früh, teils spat.
Niclas Klimm und Marcus Aurelius,
Cato und Eulenspiegelius,
Ritter Simson und Don Quixot,
Sind leider nicht mehr, sondern tot.
Auch Cartouche und König Alexander,
Einer nicht ein Haar besser als der ander',
Held Bramarbas und Hannibal,
Sie starben alle Knall und Fall.
Auch August, der Held Polens,
Und Karl der Zwölfte mußten
volens nolens,
Sowie der Perserschach Kulikan
Und der große Zar Peter dran.
Item, Xerxes mit seinem ganzen Heere,
Potiphar mit seiner Hausehre,
Und der einäugige Polyphem
Und der alte Methusalem.
Alle, alle mußten in die schwarze Bahre,
Calvin und der Pater von Sankt Clare,
Auch der Patriarch Abraham
Und Erasmus von Rotterdam.
Auch Müller Arnold und die Advokaten
In den weitläufigen preußischen Staaten,
Tribonian und Notar April,
Der zu Regensburg von der Treppe fiel.
Alles, alles sank vor seiner Sichel,
Hippokrates Magnus und Schuppachs Michel,
Galenus und Doktor Menadie
Mit der Salernitanschen Akademie.
Keiner konnte seiner Faust entfliehen,
Nicht Nostradamus und Superintend Ziehen.
Mit Doktor Faust und Träumer Schwedenburg
Ging er ohne Umstände durch.
Orpheus, den großen Musikanten,
Molière, den Komödianten,
Und den berühmten Maler Apell
Nahm Freund Hein sämtlich beim Fell.
Auch den Midas mit den langen Ohren,
Den Dichter Homerus blind geboren,
Den lahmen Tamerlan und Tänzer Vestri;
Kein einz'ger von allen entsprang ihm hie.
Ach ja, lieber Leser! dies Furchtgerippe
Fraß die Penelope, Xantippe,
Judith, Dido, Lucretia
Und die Königin aus dem Reiche Arabia.
Den lachenden Demokrit und den Murrkopf Timon,
Gaukler Schröpfer und den Zauberer Simon,
Den Sokrates und jungen Werther, fürwahr
Jenen als Weisen, diesen als Narr.
Selbst Bucephalus und Rosinanten,
Und Abulabas, den Elefanten,
Roß Bayard und Bileams Eselin
Nahm Freund Hein zum Morgenbrot hin.
Summa Summarum, weder vorn noch hinten
Ist in den Chroniken ein Exempel zu finden,
Daß Freund Hein etwa irgendwo leer
Bei jemand vorübergegangen wär'.
Und was er übrigens noch nicht gefressen,
Wird er doch in der Folge nicht vergessen,
Sogar, leider! lieber Leser, auch dich,
Und was das schlimmste ist, sogar mich.
So ward es nun auch gleichergestalten
Mit dem Nachtwächter Hieronimus gehalten,
Denn auch bei ihm stellte Freund Hein
Sich nach vierzig Jahr und drei Wochen ein.
Er bekam nämlich ein hitziges Fieber,
Das wäre wohl nun bald gegangen über,
Wenn man's seiner guten Natur
Hätte wollen überlassen nur;
Jedoch ein berühmter Doktor im Kurieren
Brachte ihn durch seine Lebenselixieren
Nach der besten Methode gar schön
An den Ort, dahin wir alle einst gehn.
Als man ihn nun zu Grabe getragen,
Führten die Schildbürger große Klagen,
Denn seit undenklichen Zeiten her
War kein so berühmter Nachtwächter als er.