Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wie Hieronimus vergnügt zu Ohnewitz ankam, und wie er da Schulmeister ward in einer Schule von kleinen Knäblein und Mägdlein
Derjenige Herr und die junge Dame,
Zu deren Rettung Hieronimus herbeikame,
Waren ein liebes artiges Paar,
Welches kürzlich erst getrauet war.
Der Herr hatte unter sein adliges Gebiete
Dörfer und Schlösser von mancherlei Güte,
Aber im Dörflein Ohnewitz
War eigentlich sein Rittersitz.
Um seiner Gemahlin den Gefallen zu erweisen,
Tat er oft mit ihr kleine Reisen,
Denn er hielte große Freundschaft
Mit allen in seiner Nachbarschaft.
Damalen hatte er auch eben
Einem benachbarten Edelmann den Besuch gegeben
Und wurde bei der Rückkehr im Wald
Angegriffen von den Räubern bald.
Sogleich warfen sie den Kutscher zu Boden,
Daß er dalag fast ohne Odem;
Drauf forderten sie mit Ungestüm
Sein Geld und sonstige Sachen von ihm.
Sie rissen ihn auch aus dem Wagen
Und fingen an auf ihn loszuschlagen;
Als auf das ängstlich Geschrei der Dam'
Hieronimus, wie gesagt, zur Rettung kam.
Diese Geschichte erzählten sie unter-
wegens ihrem Erretter, der nun munter
Daherfuhr mit gar leisem Schritt,
So gut es der gehabte Schrecken litt.
Hieronimus hat ihnen gleichfalls erzählet,
Wie ihn das Schicksal bishero gequälet,
Und so gelangten sie wie der Blitz
Endlich an zu Ohnewitz.
Hier vergaß man bald alles Leiden,
Lebete herrlich und in Freuden,
Und für den ehrlichen Hieronimus ward
Gesorget auf die liebreichste Art.
Neue Kleider, Essen und Trinken,
Wein, Tabak, Braten und Schinken
Waren da, alles in Überfluß,
Zum Dienste unsers Hieronimus.
Nach einigen so vergnügt verstrichenen Wochen
Hat auch der Herr dem Hieronimus versprochen,
Für seinen zukünftigen Unterhalt
Zu sorgen ferner bester Gestalt.
Nun ist auch grade dazumalen
Ein absonderlicher Umstand vorgefallen,
Welcher für unsern Hieronimus gar
Sehr erwünscht und gelegen war.
Nämlich, die Ohnewitzer Bauern haben
Eine Schule für kleine Mägdlein und Knaben,
Und der Herr, als des Dorfes Patron,
Hatte darüber die Kollation.
Das A, B, C, D zu studieren
Und zu lernen Lesen und Buchstabieren,
Waren alleinig die Studia,
Welche man hieselbsten treiben sah.
Alle Gelegenheiten, mehrers zu lernen,
Tat der Herr Patron weislich entfernen,
Denn ein Bauer, welcher gelehrt
Ist, wird hochmütig und höchst verkehrt.
Ja, die Erfahrung lehrt es, wenn der
Bauer schon versteht seinen Kalender
Und sein Katechismus-Büchlein,
So bildet er sich schon was Rechtes ein.
Hat er sich nun noch höher verstiegen,
So läßt er gemeiniglich die Arbeit liegen,
Und dann sieht's höchst elendig und kraus
Mit den Pächten und Abgaben aus.
Außer dreißig Taler Fixum trug dies Dienstchen
Dem Herren Schulmeister noch manches Gewinstchen
An Eiern, Butter, Hühnern und Gäns
Und manchem ähnlichen Akzidenz.
Auch ging er, wenn die Herrschaft zu Hause,
Am Neujahrstag bei ihr zu Schmause
Und bekam dann für die Gratulation
Noch ein Geschenk nach Proportion.
Nun hat es sich damals just begegnet,
Daß der Schulmeister dies Zeitliche gesegnet;
Und also war man weislich bedacht,
Das ein neuer würde gemacht.
Sobald dies der Herr Patron gehöret,
Hat er dem Hieronimus den Dienst verehret;
Und folglich trat Hieronimus dann
Das Amt des Dorfschulmeisters an.
Zwar wollte nun anfangs das Schulleben
Ihm kein sonderliches Vergnügen geben,
Denn er hielte von Müßiggang mehr
Als von solcher beschwerlicher Lehr'.
Doch da er auf dem herrschaftlichen Schlosse
Manche Wohltat und Mahlzeit genosse
Und sich nach geendigter Schule erquickt,
So hat er sich in das Lehramt geschickt
Und sich nunmehr ernstlich vorgenommen,
Seinen Pflichten möglichst nachzukommen,
Damit er nun lebenslang hinfort
Bleiben möchte an diesem Ort.
Auch gedachte er, in verschiedenen Sachen
Einige wichtige Änderungen zu machen,
Weil er im hiesigen Schulstand
Viele eingerissene Fehler fand.
Er fing auch nach langem Deliberieren
Wirklich an, manches zu reformieren,
Jedoch bekam ihm dieses nicht wohl,
Wie der geneigte Leser bald hören soll.