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Wie man den jungen Herrn, um ihn zu kurieren, mit der Fräulein Judith verheiraten will, und wie er diese Medizin nicht nehmen will
Es wohnte aber an der Ohnewitzer Grenze
Eine freiherrliche Witwenexzellenze
Auf einer alten, ehmals festen Burg,
Welche jetzt verfallen war durch und durch.
Ihre Ahnenzahl war längst übervollwichtig
Und der Stammbaum bis zur Wurzel echt und richtig;
Aber (nichts ist ja vollkommen in der Welt)
Es fehlte ihr am Besten: an Geld.
Sie hatte deswegen nicht viel zu verzehren,
Aber erzog doch in allen Züchten und Ehren
Eine einzige Fräulein Tochter zart,
Sehr reizend und von englischer Gemütsart.
Sie war eine echte Perle des Landes,
Sehr geehrt wegen ihrer Schönheit und ihres Verstandes,
Und mancher Kavalier hatte wohl Appetit
Zu der angebeteten Fräulein Judith.
Aber weil diese sonst nicht verwerfliche Sachen
Doch das Wesentlichste bei der Heirat nicht ausmachen,
So hatte auch eigentlich keiner dafür Sinn,
Sie zu wählen zu einer Gemahlin.
Sie fuhr oft, in Ermang'lung 'ner ordentlichen Kutsche,
Nach Ohnwitz mit ihrer Mutter in 'ner schlechten Birutsche,
Weil sie daselbst sehr dick und groß stand,
War auch von Noah her noch etwas verwandt.
(Denn ich bemerke solches nur beiläufig,
Die Ohnwitzer Vons befanden sich sehr häufig
Unter dem Adel überall hier und da
Zerstreuet im Lande Germania.)
Sie weilten daselbst gemeinlich viele Tage,
Vergaßen
pro tempore ihre sonst dürftige Lage,
Aßen und tranken allda wohlgemut
Und befanden sich auch im übrigen gut.
Ihre sämtlichen mitgenommenen Domestiken
Konnten sich gleichfalls daselbst mal erquicken;
Es war zwar ihrer keine große Schar,
Sondern
in toto nur ein einziges Paar.
Nämlich Johann, Jäger und zugleich Kutscher,
Gärtner, Kellermeister und Schuhputscher,
Geheimer Kammerdiener, Lakei, Friseur
Und bei Ihro Exzellenz sonst noch allerlei mehr.
Nebstdem das 46jährige Käthchen,
Sie war Köchin und zugleich Kammermädchen,
Flickte die Strümpfe und kehrte die Flur,
War Viehmagd und zugleich
Dame d'atour.
Sogar das Pferdegespann, zwei magere Gerippe,
Wieherte froh zu Ohnewitz an der Krippe,
Denn sie aßen da, vom vielen Fasten matt,
Im Marstall in Hafer und Häcksel sich satt.
Auch der Fräulen Judith Schoßhund, ein schmächtiger Pudel,
Aße sich da bald rund wie eine Nudel,
Bekam Suppe, Braten und fettes Butterbrot
Und vergaß alle seine vorige Not.
Der junge Herr sahe von Kindesbeinen
An gern die Judith zu Ohnwitz erscheinen,
Und auch sie spielte und tändelte schon
Als Kind gerne mit dem jungen Baron.
Auch in ihren Jünglings- und Mädchenjahren
Taten sie noch gern sich zusammen paaren,
Ja man sahe auch später
ex post
Auf der alten Liebe noch keinen Rost.
Indes seit Herr Jobs die Pfarre bekommen,
Hat sich der junge Herr ganz kurios benommen;
Denn er zog sich mit guter Manier
Unvermerkt nach und nach zurücke von ihr.
Papa und Mama hätten allenfalls gern gesehen
Eine Mariage zwischen beiden entstehen;
Denn sie liebten, wie gesagt, die Fräulein Judith
Wegen ihrer Artigkeit und dem guten Gemüt.
Allein der junge Herr wollte davon nichts hören,
Suchte überhaupt alle Vermählung abzukehren,
Ob er gleich an und für sich eben zwar
Kein Feind des schönen Geschlechtes war.
Den Schlüssel zu allen diesen Kuriositäten
Und zu der Brunnquelle der Leibesnöten
Des jungen Herrn und der Mamsell Esther
Zeigt das folgende Kapitel näher.