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Wie Hieronimus ein Autor ward, und wie er ein neues Abc-Buch herausgab, und wie er darob von den Bauern bei dem gnädigen Herrn hart verklagt ward
Gleich bei dem Antritt der Schulregierung
Fand Hieronimus, mit äußerster Rührung,
Daß das eingeführte Abc-Buch
Nicht für Kinder sei faßlich genug.
Denn da bisher die Mädchen und Knaben
Gebraucht hatten die Ballhornschen Ausgaben,
So nahm Hieronimus hier und da
Darinnen verschiedene Fehler wahr.
Nachdem er nun bei sich zu Rate gegangen,
Hat er zu veranstalten angefangen
Unter folgendem Titel davon
Eine nagelneue Edition:
Neues Abc-Buch, verbessert
Und mit verschiedenen Zusätzen vergrößert
Von dem Autor Hieronimus
Jobs, Theologiä Kandidatus.
Zu den schon längst bekannten Buchstaben,
Welche wir im Alphabete haben,
Setzte er noch das
fft,
Imgleichen das
sch und
sp.
Die Sporen des Hahns auf der letzten Seiten
Und mehr andre solche Kleinigkeiten
Ließ er hingegen weislich und klug
Aus dem nagelneuen Abc-Buch.
Er fügte aber unterdessen nicht minder
Zur Ergötzung der lernenden Kinder
Ein Nestlein mit einem großen Ei
Dem ungesporneten Hahne bei.
Kaum war dies Buch zu Ohnewitz eingeführet,
So ward es von den Bauern rezensieret,
Und gab zu einem grimmigen Streit
Die allererste Gelegenheit.
Denn es wollte keinem einzigen von allen
Rezensenten die Einrichtung gefallen,
Und sie sahen alle, Mann für Mann,
Die Änderung als höchst gefährlich an.
Selbst den allerklügsten unter ihnen
Hat's beim neuen Abc-Buch geschienen,
Als hätte Hieronimus dadurch gezeigt,
Wie sehr er zur Autorsucht geneigt.
Wie wenn im Sommer von schwülen Düften
Ein Ungewitter entsteht in den Lüften,
So geht vor dem Donner ordinär
Erst ein gelindes Murmeln vorher.
Gleichermaßen entstund unter den Leuten
Erst ein leises Gemurmel von allen Seiten,
Und es zoge sich bald darauf
Ein Gewitter über Hieronimus auf.
Er konnte nun zwar in Worten und Werken
Den Unwillen der Ohnewitzer leicht merken,
Doch verließ er, den Bauern zum Trutz,
Sich auf des gnäd'gen Patron seinen Schutz.
Jedoch die Ohnewitzer wollten nun zeigen,
Daß sie länger nicht gesonnen zu schweigen;
Denn sie spürten je länger, je mehr,
An dem Schulmeister neues Beschwer.
Sie traten also sämtlich zusammen,
Und der Küster verfertigte in ihrem Namen
Eine Klagschrift in folgendem Ton:
›Hochwohlgeborner, gnädiger Patron!
Wir sämtliche Bauern und Kossaten
In Hochderoselben Ohnewitzer Staaten
Nehmen in aller Untertänigkeit
Unsern Schulmeister zu verklagen die Freiheit.
Sintemal sich derselbe leider vergangen
Und verschiedene Neuerungen angefangen,
Alles unter dem nichtigen Vorwand,
Zu verbessern den hiesigen Schulstand;
Sich auch dabei nicht so aufführet,
Wie's einem frommen Schulmeister gebühret,
Sondern vielmehr, ofte und viel,
Uns Bauern gibt ein böses Beispiel.
Um von den Punkten, worüber wir querulieren,
Nur die vernehmlichsten anzuführen,
So hat er
pro primo und erstens sich
Unterfangen eigenmächtiglich,
Ein neues Abc-Buch zu verfassen
Und drin die Sporen des Hahnes auszulassen,
Da doch der Sporen zu jeder Frist
Ein wesentlich Stück des Hahnes ist.
Dagegen hat er das Lernen selbst beschweret,
Weil er das Alphabet hat vermehret;
Denn
fft, sp und
sch,
Steht wider alle Gewohnheit da.
Auch, obgleich die Hähne niemals pflegen
Hühnereier in Nester hinzulegen,
So liegt doch ein Ei nun bei dem Hahn,
Gleichsam als hätt' es der Hahn getan.
Nun können solche Dinge beim Studieren
Die Kinder leichtlich auf Irrtümer führen,
Und ein neues Abc-Buch ist überhaupt
Eine Neuerung und unerlaubt.
Pro secundo lassen wir nicht unberühret,
Daß von alters her ein Eselskopf eingeführet,
Welchen in unsrer Schule zur Buß'
Jedes mutwillige Kind tragen muß.
So hart und empfindlich nun diese Strafe
Sonst demjenigen war, den sie trafe,
So trugen die Kinder doch gern und mit Lust
Den Eselskopf an ihrem Hals und Brust.
Herr Jobs ist aber nicht damit vergnüget,
Sondern er hat jetzt zum Kopfe gefüget
Einen Hals, Leib, Beine und Schwanz,
Und so ist es nun ein Esel ganz.
Wie jämmerlich indes die Kindlein klagen,
Wenn sie den ganzen Esel müssen tragen
Und stehen da gleichsam zum Spektakel so,
Ist kaum zu glauben.
Pro tertio
Tut Herr Jobs mit mächtigen Ohrfeigen
Sich gar zu barbarisch in der Schule bezeigen,
Und einige Knaben sind wirklich schon
Taub und gehörlos worden davon.
Pro quarto sind die Kinder der ärmern Bauern
Ob der vielen Prügel höchlich zu bedauern;
Denn wegen Ansehen der Person
Kriegen sie meist doppelte Portion.
Pro quinto sucht er in den Taschen
Der Kinder nach, ob sie auch naschen,
Und findet er Äpfel und Nüsse allhie,
So nimmt er sie weg und isset selbst sie.
Pro sexto ist von seinem sonstigen Betragen
Noch allerlei Besondres zu sagen,
Denn mit des Schulzens Einliegers Frau
Lebt er, wie es heißt, gar zu genau.
Auch besucht er fast täglich die Dorfschenke
Und genießt da allerlei hitziges Getränke,
Hat auch oft bis um Mitternacht
Mit dem Schulzen beim Spiel zugebracht.
Wir hätten zwar noch mehrere Klagen
Alleruntertänigst vorzutragen;
Denn es sind noch viele
Gravamina
Neben den schon erwähnten da,
Wollen sie aber diesmal nicht berühren,
Sondern nur untertäniglich supplizieren,
Daß Sie, lieber gnädiger Herr!
Uns geben einen andern Schulmeister.
Beharren übrigens Eure Hochwohlgeborne Gnaden
Alleruntertänigste Bauern und Kossaten.
Im Dorfe Ohnewitz gegeben.
N. N. N. N. N. N.‹