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Wie dem Sekretär Hieronimo kuriose Sachen vorkamen und er weggejagt wurde
Geneigter Leser! unsre alten Vorfahren
Waren gewiß keine dummen Narren,
Sie hatten vielmehr oftermal
Einen klugen und gesunden Einfall.
Und sie haben in ihrem Leben
Den Nachkommen viel gute Lehren gegeben,
Mancher stets wahr befundener Spruch
Zeiget noch ihre Weisheit genug.
Es ist auch itzo fast in allen Landen
Unter andern ein altes Sprichwort vorhanden,
Dessen Gewißheit und Wahrheit man
Noch täglich vor Augen sehen kann.
Nämlich:
Wenn einer soll können tragen
Eine Last von lauter guten Tagen,
So muß er mit sehr starkem Gebein
Von der Natur versehen sein.
Dieses alten Sprichworts Wahrheit
Zeiget sich auch mit großer Klarheit
Im gegenwärtigen Kapitel schon früh
An dem Exempel Hieronimi.
Dieser lebte gleich einem Fürsten,
Brauchte weder zu hungern noch zu dürsten,
Schlief früh ein und erhub sich spät
Nach ruhigem Schlaf vom Federbett.
Es mangelte ihm folglich an keinem Stücke;
Doch es war zu seinem Ungelücke
Bewußtermaßen die Jungfer da,
Welche er täglich verliebt ansah.
In ihren Mienen und ganzem Wesen
Schien er deutlich zu können lesen,
Daß sie in ihn, den Sekretär,
Ebenfalls sterblich verliebet wär'.
Oft auch, wenn er sie ganz nahe
Mit Aufmerksamkeit ins Gesicht sahe,
So tat der Gedanke bei ihm entstehn,
Als hätt' er sie vormals mehr gesehn.
Trotz dem Verbote des alten Herren
Wagt' er's nun, ihr die Liebe zu erklären,
Und so wurden sie bald so vertraut,
Als wären sie Bräutigam und Braut.
Doch in Gegenwart des alten Herren
Schien er ihrer gar nicht zu begehren,
Und er nahm sich vor allem Verdacht
Weislich und soviel möglich in acht.
Aber ohne desselben Willen und Wissen
Brachte in allerlei Scherzen und Küssen
Manches geheimes Stündelein um
Amalia mit dem Hieronimum.
Dieses des Hieronimi gutes Betragen
Tat dem Mädchen trefflich behagen,
Denn für die leere Schmeichelei
Des Herrn hielt sie der Schreiber frei.
Er bekam auch dafür viel schöne Dinge,
Dosen und Hemder, Schnallen und Ringe,
Tücher, Manschetten, Strümpfe, Handschuh,
Halsbinden, Mützen und mehr dazu.
Einst hatte er bei ihr von Amts wegen
Ein Schreibergeschäfte abzulegen,
Und da reichte sie ihm sogar
Eine fürtreffliche Sackuhr dar.
Er hat sie gar dankbarlich angenommen,
Doch gleich, als er sie in die Hand bekommen,
Rief er: »Potz tausend Element!
Diese Sackuhr habe ich gekennt.«
Amalia war zwar etwas betroffen,
Doch gestund sie ihm sofort offen-
herzig, sie habe von einem Student
Sie ehmals erhalten zum Präsent.
»Wie's doch so wunderlich pflegt zu gehen,
Das kann man itzo deutlich hier sehen«,
Erwiderte Hieronimus, »sicherlich!
Dieser Studente war ich.«
Und nunmehr haben sich beide besonnen,
Daß schon vor fünf Jahren ihre Bekanntschaft begonnen,
Und aus der gestohlnen Sackuhr
Machte die Jungfer itzt Schnack nur.
Und sie haben beide herzlich gelachet
Und über den Possen sich lustig gemachet,
Daß nunmehr in die rechte Hand
Sich die vermißte Uhr wieder fand.
Übrigens war es kein sonderlich Wunder,
Daß die Jungfer nicht im Hieronimus jetzunder
Als Kandidaten und Sekretär
Den vorigen Studenten kannte mehr.
Indessen machte diese lächerliche Affäre,
Daß sich beide von nun an noch desto mehre,
Zum Possen des alten Edelmanns,
Geliebet haben von Herzen ganz.
Ihr Umgang ward also auf die Dauer
Täglich vertrauter und genauer,
Und ihr Löffeln und Buhlerei
Trieben sie fast offenbar und frei.
War die Jungfer im Keller und Garten,
So tat der Herr Schreiber ihr aufwarten,
Und in Küche, Kammer und Stall
Folgte er nach ihr überall.
Sogar wenn sie etwa nicht, von Pflicht wegen,
Den alten Herrn mußte wärmen und pflegen,
So brach sich Hieronimus den Schlaf ab
Und ihr nächtliche Visiten gab.
Auch bei dem Schreiben und Notieren
Tat Amalia ihm treulich assistieren
Und befand sich ohne Unterlaß
Bei ihm, wo er stand oder saß.
Sie gab ihm auch manch schönen Leckerbissen
Von des Herren Tafel heimlich zu genießen,
Und vom Kälberbraten und Wildpret
Bekam er immer die Nieren und Fett.
Sie brachte ihm noch dabei unter-
weilen manche Flasche Burgunder
Heimlich aus dem Kellerhaus,
Und Hieronimus trank sie aus.
So verstrichen in lauter Wollust die Tage
Des Hausschreibers Hieronimi, und ich sage,
Daß kein hochwürdiger Herr Prälat
Jemals besser gelebet hat.
Es konnte sich aber dergestalten
Dies Leben nicht lange so verhalten,
Denn der alte gnädige Herr
Merkte den Handel mehr und mehr.
Und anstatt daß er sonst gelachet,
Hat er nun saure Gesichter gemachet,
Und er gab deutlich genug zu verstehn,
Die Sache müsse nicht länger so gehn.
Zum Überfluß führte er noch in aller Güte
Dem Herrn Sekretären zu Gemüte,
Daß, wenn er Amalien nicht künftig vermied,
So erteilte er ihm den Abschied.
Hieronimus versicherte auf seine Ehre,
Daß nichts Schlimmes vorgegangen wäre,
Und er wollte lieber hinfort
Mit Amalia reden kein einziges Wort.
»Wenn Er das tut, so kann Er bleiben,
So lange Er will, und bei mir schreiben
Lebenslang als mein Sekretär!«
Erwiderte nun der alte Herr.
Obgleich nun seit diesem Augenblicke
Hieronimus die verliebten Tücke
Mit der Jungfer heimlicher trieb
Und desto fleißiger notierte und schrieb,
So hat sich dennoch nach einigen Tagen
Ein sonderlich Abenteuer zugetragen,
Als der alte Herr abends spät
Schlaflos sich herumwälzte im Bett
Und deswegen, wie er wohl zu tun pflegte,
Einen Besuch bei Amalien ablegte,
Damit sie durch ihre Freundlichkeit
Ihm vertriebe die Schlaflosigkeit.
Da geschah alsbald ein groß Wunder;
Denn er fand daselbsten itzunder,
Daß schon Hieronimus, der Sekretar,
Bei der Jungfer im Bettlein war.
Himmel! Tausend Element! Potz Velten!
Da ging es an ein Fluchen und Schelten,
Und es wurde noch in derselbigen Nacht
Hieronimus aus dem Hause gejagt.
Es half hier weder Bitten noch Flehen,
Das Abenteuer war nun einmal geschehen,
Und selbst die Kammerjungfer sogar
Geriet fast drob in große Gefahr.
Doch ihre listigen Schmeicheleien
Taten sie dieses Mal noch befreien,
Aber dem unglücklichen Kandidat
Zu helfen, war nun weiter kein Rat.