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Eintrittspredigt des neuen Herrn Pfarrers; sehr erbaulich, aber doch abgebrochen, damit der Leser nicht einschlafe
»Geliebtesten Freunde und Zuhörer! ich betrete
Hiemit zum erstenmal diese geweihte Stätte
Und zeige euch heute öffentlich
Als euern rechtmäßigen Seelsorger mich.
Der Himmel hat dieses ohn' alles mein Denken,
Ohne mein Suchen und Zutun also wollen lenken,
Indem er mich zum Prediger schüf
Und mich zu euch nach Ohnewitz rief.
Zwar weiß ich, meine Hochteuer- und Vielgeliebte,
Daß manchen von euch dieser Ruf herzlich betrübte,
Sintemal ich in euerm Sinn
Nur ein Ärgernis und Torheit bin.
Weil ich vorher euer simpler Schulmeister gewesen,
Ja gar zu Schildburg als Nachtwächter gebläsen,
Darum nun glaubet und denket ihr,
Es stecke kein rechtschaff'ner Lehrer in mir.
Allein ich will euch aus alten Geschichten
Viele auffallende Beispiele berichten,
Daß oft aus einem simpeln Ding und schlechten Mann
Was Rechtschaff'nes und Großes werden kann.
Ihr könnt selbst gehörigen Ortes nachschlagen
Alles, was ich euch hier werde vortragen.
Wer war unser erster Stammvater Adam?
War's nicht ein Erdenkloß, wovon er herkam?
Abram ging als Exulant aus Haran,
Jakob hütete die Schafe bei Laban,
Und dennoch wurden sie beide nachher
Hochberühmete Erzväter.
Ismael mußt' als Jungfernkind fast tot dürsten
Und ward doch ein Vater von 12 Fürsten.
Jeseph, erst Sklave und Arrestant,
Ward Finanzminister in Ägyptenland.
Moses lag als Findling am Ufer im Schilfe,
Wäre ertrunken ohne ohngefähre Hilfe,
Und dennoch wurde er hernachmal
Der große Israeliten-General.
Gideon, erst Drescher, schlug die Midianiter.
Jephtha, ein Hurkind und simpler Gileaditer,
Schlug die Kinder Ammon und war
Richter in Israel sechs Jahr.
Saul triebe zuerst die Langohren,
Ward doch hernächst zum König erkoren,
Und David mit seinem Hirtenstab
Ward König, tat auch den Goliath ab.
Hiob ward vom Satan arm geschlagen,
Aber doch reich in seinen alten Tagen,
Und Ruth, die Ährenleserin,
Wurde die reiche Frau Boasin.
Jehu bedeutete erst als Kapitän wenig,
Ward doch nachher in Israel ein König
Und rottete des gottlosen Ahabs Haus
Bis zum letzten, der an die Wand pißt, aus.
Nebukadnezar ging eine Zeitlang auf allen vieren
Und fraß Gras und Heu gleich andern Tieren,
Und man nahm ihm Purpur und Königskron';
Doch bestieg er nachher den verlornen Thron.
Esther, ein blutarmes Waisenwichtchen,
Das nichts hatte als ein hübsches Gesichtchen,
Ward doch eine große Königin
Und des Ahasverus liebe Gemahlin.
Auch unter den Propheten und Aposteln waren Leute
Von geringer Abkunft und wenigem Bedeute:
Hirten, Zöllner, Fischer, ein Teppichfabrikant
Und von anderm schlechten Gewerbe und Stand.
Ich gehe zur mehrern Erweckung lieber,
Meine Geliebten! zur Profangeschichte hinüber;
Ob ich gleich aus altem und neuem Testament
Euch viele Exempel noch nennen könnt'.
Der allgemein bekannte große Artaxerxes,
Jeder von euch, meine teuern Zuhörer, merk' es!
Stand erst in sehr geringem Ansehn
Und ward doch König in Persien.
Darius war gar nun ein ehrlicher Büttel,
Bekam doch den Perserthron und Königstitel,
Und Agathokles, eines Töpfers Sohn,
Bestieg den sizilianischen Thron.
Telephanes, ein Wagner, legte das Handwerk nieder
Und ward ein großmächtiger König der Lyder.
Hyperbolus fabrizierte Leuchten zum Sehn
Und ward hernächst Fürst zu Athen.
Vom berühmten Phokion kann man lesen,
Daß er eines Löffelmachers Sohn gewesen,
Und Ägyptens große Rhodopin
Ward aus 'ner Bordellschwester Königin.
Romulus und Remus, zwar vom Götterstamme,
Hatten als Findlinge eine Wölfin zur Amme,
Da doch Roma, die große Stadt,
Von ihnen den ersten Ursprung hat.
Vom König Tullius Hostilius melden die Schreiber,
Er sei gewesen ein lumpigter Kühtreiber,
Und vom Böhmerkönig Primislas
Melden die Chroniken ebendas.
Kaiser Valentinian drehte anfangs Seile und Stricke;
Den Kaiser Probus hob aus dem Gärtnerstaub das Glücke,
Bonosus und Johann Zimiszes waren vorher
Schulmeister und hernach Kaiser.
Kaiser Aurel war ein Bauernbube vom Lande,
Der große Tamerlan gleichfalls vom Bauernstande,
Kaiser Mauriz,
der Cappadozier,
War gar, wie ich ehmals, Nachtwächter.
Papst Niklas Quintus war erst Mediziner,
Der große Fürst Narses ein verschnittener Diener;
Kaiser Justin und Galer und Papst Sixt, alle drei,
Hüteten in ihrer Jugend die Säu'.
Lutherus, ein armer Augustinerpater,
Ward nachher der so große Reformater,
Schaffte das Fasten ab und machte die Klerisei
Vom beschwerlichen Zölibate frei.
Auch hat man viel alte Poeten und Philosophen,
Welche blutarm waren, angetroffen:
Plautus mußte die Mühle drehn,
Arm waren Codrus, Epiktet, Demosthen.
Euripid, Äsop, Horaz und andre Poeten
Waren anfangs arme Schlucker und in Nöten;
Und es geht auch noch in der neuern Zeit
Meist den Philosophen und Poeten nicht breit.
Ich könnte noch gar leicht aus unsern Tagen
Euch nicht nur viele Exempel, sondern auch Beispiele sagen,
Wie das Glücksrad sich wunderlich dreht
Und Geringe aus dem Staube erhöht.
Mancher anfänglich elender Schuhputzer
Ist jetzt ein ansehnlicher Herr und Stutzer,
Und ihr müßt
nolens volens für ihn
Eure Mütze und Hut tief abziehn.
Auch manche Frau tut mit Titeln stolzieren
Und mit seidenen Kleidern schwenzelieren
Und ist, obgleich vom Mistfinkenstamm,
Nunmehr eine großherrliche Madam.
Wenn ihr die angeführten Exempel genau betrachtet
Und mich dann noch wegen meines vorigen Zustandes verachtet,
So würde das, ihr sehet es selbst ein,
Höchst ungerecht und unbillig sein.
Ihr sollt's in der Folge finden und erleben,
Daß ich mir alle Mühe werde geben,
Für euch alle, klein und groß insgesamt,
Redlich zu führen mein Pfarreramt.
Ich liebe euch alle hochteuer und herzlich
Und würde es empfinden höchst schmerzlich,
Wenn ich einen von euch dereinst sollte sehn
Zur Linken unter den Böcken stehn.
Auch meinen Feinden will ich gerne vergeben
Und ihr wahrer Freund zu sein mich bestreben« - -
Den Rest der schönen Predigt übergeh' ich,
Als hieher eigentlich nicht gehörig.