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Adele

Schon in der Hietzinger Zeit war ein junges Mädchen öfter bei Jetty erschienen, die Braut des Sohnes eines Strauß sehr nahestehenden Mannes. Dieser Mann war Albert Strauß, kein Verwandter, obwohl seine Familie im Hirschenhaus mit der Familie Johanns dicht beieinander lebte.

Albert Strauß, Johanns Sachwalter und Bankier, der Mann, der dessen russische Einkünfte klug verwahrte und häufte, lebte als Witwer und Sonderling; ein Typ des geistigen Altwieners, sprach er seiner Köchin horazische Oden vor und durfte sich der Freundschaft Grillparzers und Nestroys rühmen.

Sein Sohn heiratete Fräulein Adele Deutsch aus Wien, starb früh und ließ die junge Witwe mit einem Mädchen, Alice, zurück. Die beiden Vereinsamten, Strauß und Adele, kamen einander näher, uneingestandene Neigungen brachen durch und bald schien es ihnen, daß nur äußerlich vereint werden müsse, was innerlich längst verbunden war. Adele, deren dunkelschönen Kopf später Lenbach malte, besaß etwas von Jettys hausfraulichen, etwas von Lilys bestrickenden Zügen.

Unter den größten Schwierigkeiten, stets umlauert von notizenlüsternen Journalisten, bedrängt von Familienwiderständen der Braut, im Kampf mit österreichischen Eheparagraphen, gelang es Johann Strauß endlich, seiner Häuslichkeit legitime Gestalt zu geben; er brachte alle Opfer, legte die österreichische Staatsbürgerschaft ab, wurde Protestant, Dinge, die ihm der alte Kaiser Franz Joseph lange nicht verzieh, zog nach Koburg, bewohnte dort – für ihn keine Kleinigkeit – eine Villa auf einem Hügel und ließ sich in dieser Stadt trauen.

Die Briefe während seiner Bräutigamszeit – Strauß ist 58 Jahre – stammeln von jungem Überschwang und könnten nach Ton und Flamme von einem Zwanzigjährigen kommen. Er nennt Adele »Engel« und »Gottheit«, bittet sie, sein früheres idealloses Dasein zu verzeihen, kann in einem Prestissimo des Verlangens ihre Briefe, ihr Kommen nicht erwarten. Er wird heute im Theater eiliger dirigieren, aus einem Maestoso ein Allegro machen und wenn sie einmal Großmutter sein wird, wird sie für ihn noch immer jungfräuliches Mädchen sein ...!

Er spricht nicht literarisch, nicht »geistreich«, stilisiert sich nicht in diesen Briefen und man schlösse auf einen Mann aus dem Volk, wäre nicht eine Ekstase fühlbar, die nur der Künstler schürt, der Herz und Haupt in Flammen sehen will. Immer des Nachts schreibend, erregt er sich zu phantastischen, humorvollen, melancholischen Akzenten, bis sein Gefühl den ganzen Kreis durchrast hat und beim Motto seines Lebens, bei der Walzerweisheit: »Man lebt nur einmal!« angelangt ist.

»Montag, 1 Uhr nachts.

Du hast mir heute so viel mich Beglückendes ins Ohr geflüstert – Du darfst es mir nicht verdenken – wenn ich aus dem Becher der Freude, Lust, Glückseligkeit schlürfe nach Herzenslust. Laß uns lustig sein Adele – on ne vit qu'une fois.«

Noten

Ein andermal wieder:

»Mittwoch, Nachts 1 Uhr.

Was Du mir im Leben warst, wirst Du erst erfahren können, wenn dein Jean nicht mehr sein wird ...«

Einmal faßt der große Erotiker sich zu einem Schwur zusammen und beteuert seine an Adele monogam gewordenen Instinkte:

 

»Die Poesie der Ehe – sei sie katholisch, protestantisch oder jüdisch – besteht in einem innigen seelenhaften Zusammenleben – freundschaftlichen? – kann ich mir nicht vorstellen – weil ich der irdischen Liebe Adieu zu sagen noch nicht in dieser trostlosen Lage angelangt bin. In dieser Beziehung dulde ich von keiner Seite Vorwurf. Natürlich meine ich nur Dich! Denn – ich kanns beschwören, bin ich Dir bis zu dieser Minute treutreu ja treu geblieben –. Ich staune über mich selbst, aber es ist kein Wunder, denn die Adele ist mir ein ins Herz gewachsenes Wesen. Millionen Umarmungen umschlingen Dich von Deinem

Jean.«

 

Frau Adele verstand, aus einer anderen Umwelt kommend, sich auf seinen Lebensstil einzustellen. Strauß, an die nächtliche Schaffensstunde gewöhnt, machte sie zur Gefährtin seiner Notturni –, sie mußte seine Einsamkeit beleben und mochten ihr bisweilen auch die Lider sinken. Sie teilte seine Theatersorgen, Erfolge und Mißerfolge, glaubte an den Künstler, wenn Direktorenunglauben den leicht zu Entmutigenden entmutigte, und Glauben in einer Frau finden, stillt den dürstenden künstlerischen Egoismus. Er ist nach jedem gierig, der die Schaffenskraft beflügelt, stößt jeden von sich, der sie hemmt. »Es gibt kein sichereres Mittel, sich meine Freundschaft zu erwerben«, sagt Hebbel einmal, »als mir beizustehen, wenn es sich darum handelt, einen Hut, ein Paar Schuhe oder dergleichen zu kaufen ...« Ein Satz, der vielleicht auch einen Schlüssel für das Gefühl bildet, das Strauß für diese Frau empfand.

Sie war die letzte Gestalt einer romantischen Ehe-Trilogie und ihre Sendung begann, in neuen Formen, nach dem Tod des Meisters. Der Wiener Volksmund nannte sie witzig »Cosima im Dreivierteltakt«. Das Wiener Volk ist aber auch einer huldigenden Gebärde fähig wie kein anderes und als sich nach der Enthüllung des Hellmerschen Straußdenkmales Hunderttausende vor das Wiener Rathaus drängten, grüßte Wien in dieser Frau auf eine schwärmende Art den Geist des Meisters, dem sie diente.

Johann Strauß zeichnete Adele durch ein einziges Wort aus. Ein Wort, das sie unter den drei Straußischen Frauen allein von ihm empfing. Er widmete ihr den Adelenwalzer: »Meinem geliebten Weib Adele!«


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