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»Ein großer Geiger ist ein großer Mann: er
kann Stürme von Leidenschaften erregen und
beylegen. Der komische wie der tragische
Styl liegt in seinem Gebiethe.«
Schubart, Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst. 1806.
Und alles dies ging von der Geige aus. Ole Bull und Paganini hatten es leichter mit der diabolischen Betörung der Zuhörer als Franz Liszt am starren Mechanismus des Klaviers. Die Flötisten, Klarinettisten, Cellisten sehen fast grotesk aus neben dem im Gefühl wiegenden, mit seinem Instrument zusammenwachsenden Geiger, der die leisesten Akzente des Seelenlebens, die Affekte des Augenblicks den Saiten einpressen kann, dessen Bogen bald eine milde, zärtliche, bald harte, aufregende, peitschende Hand ist.
Das Straußische Orchester diente zur Unterbauung der melodieführenden Primgeige, die triumphierend in der Höhe kreist, ohne daß ein Violinkonzert mit hervortretendem Solo daraus entstände. So nähert es sich dem Typ des klassischen, auf die Streicher gestellten Orchesters und ist doch anders geartet: Sekundgeige und Bratsche haben kaum andere Aufgaben als den Begleitrhythmus und Baßmelodien sind selten. Dagegen tritt an die Seite der Geige gern die Harfe, die die Melodiespitzen aufleuchten macht oder, wie im Donauwalzer, die Erweckung des Hauptteils anzeigt. Aber Anführerin bleibt die Primgeige. Sie gibt dem Ganzen etwas Improvisatorisches und der Dirigent, der bald ad libitum mit dem Bogen leitet, bald besondere Stellen mitspielt, ist ein Zigeuner in Frack und weißer Krawatte. Kein Blasorchester vermag dithyrambisch zu wirken – zur Tanzlust gehört die gesangliche Geschmeidigkeit der Violine.
Der große Zauberer Wagner ließ auch Meister Strauß nicht ungeschoren. Der harmonische Reichtum, den der von Jugend auf Verehrte brachte, verlockte. Wie leicht konnte man ihn für die Geige verwenden! Ihre leeren Saiten verführen gerade dazu.
Wie bequem läßt sich | anstreichen, wie | |
natürlich darauf als Lösung | ||
Genau so liegt im Griff: |
Welche Lebensbejahung, welche echt wienerische Daseinsfreude klingt aus diesen »schiaberischen« Tönen! c-e-a ist nicht Moll-, ist Durakkord. Die Sext (a) ist bloß an die Stelle der Quint (g) getreten. Den gleichen Akkord treffen wir wieder in der sinnbetörenden Melodie des »Freut-euch-des-Lebens«-Walzers; und auch die weiche Non fehlt nicht dabei:
Johann Strauß hat einmal für Ludwig Eisenberg als Widmung sechs Walzerthemen untereinander geschrieben: so verschieden die Linien, so leicht sind sie alle auf der Geige. Irgendeine bequeme Lage wird ausgenützt. Und die rhythmische Bildung wurde Grundrhythmus des Wiener Walzers, weil sie sich auf einem Bogenstrich als natürliche Gebärde des Spielers unterbringen ließ.
Johann Strauß liebte in späterer Zeit, Gedanken, die ihm zuflogen, auf einem großen Harmonium leise tippend zu probieren. Er war in jüngeren Jahren ein guter Klavierspieler; aber als Komponist hatte er immer den Geigenton im Ohr und einen Klavierwalzer (wie die Frühlingsstimmen) hat er selten geschrieben. Seine Vorstellungen blieben geigerische. Und so zeigt ihn auch sein Denkmal im Wiener Stadtpark: die Gestalt mit der eingebogenen Hüfte durchronnen von einer einzigen Bewegungswelle, die über Hals und Kinn in das Instrument läuft und weiter in die Frauenkörper, die ihn umschwingen.