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Und die Instrumentation

Bei Gelegenheit des »Spitzentuchs« macht Eisenberg einmal die sehr unklare Angabe, Richard Genée sei an der »technischen Durchführung der musikalischen Arbeiten« beteiligt gewesen, was Eisenberg selbst aber im nächsten Satz wieder umwirft: »Denn (!) Strauß, der zu Beginn seiner Laufbahn nur nach der einzigen Richtung der Walzermusik tätig war und sich anfänglich auf dem Boden der Instrumentation von Operetten selbstredend nicht ganz heimisch fühlte, hatte in dieser Beziehung längst festen Fuß gefaßt und Selbständigkeit gewonnen.«

Es scheint, Eisenberg wollte etwas sagen, wagte es aber nicht, hörte etwas läuten und wollte sich auf Andeutungen beschränken. Wozu brauchte der längst selbständig Gewordene, der »in dieser Beziehung festen Fuß gefaßt« hatte, Richard Genée? Hier bietet sich Gelegenheit, einen alten Aberglauben auszubrennen, der sich in den Köpfen auch hochstehender Musiker fortschleppt: Strauß habe seine Partituren nicht selbst instrumentiert. Habe sich zumindest dabei helfen lassen.

Die einzigen, die Strauß mechanisch geholfen haben, waren: Kupfer, der Kopist von Brahms, und Kraus, Violaspieler in der Kapelle von Eduard, Leute, die sich aufs Kopieren beschränkten.

Direktorenungeduld suchte Strauß manches Unfertige zu entreißen. Die Aufführung war auf einen Tag festgesetzt; Jauner oder Frl. v. Schönerer erschienen, bestanden auf Vertrag und Termin und suchten ihn herumzukriegen: einen noch nicht instrumentierten Entr'acte, ein paar Schlußakkorde im Finale könne ja der Kapellmeister rasch in Partitur bringen –, nur heraus damit! Strauß blieb unerschütterlich. Fast abergläubisch bestand er darauf, jede Note selbst zu schreiben, und störte ihn auch mitten im Instrumentieren ein plötzlich aufspringender Walzereinfall, er ertrug das Unglück und schrieb seine Partitur zu Ende.

siehe Bildunterschrift

Adele Strauß
Gemälde von Lenbach

Wie denn anders! Der Orchesterklang gehörte zu seinen Urerlebnissen. Im elterlichen Schlafzimmer waren bis auf Pauken und Kontrabässe alle Instrumente gestanden; in der Wohnung hatte die Kapelle neue Stücke probiert; von seinem neunzehnten Jahr an lebte er in dichtester Verbundenheit mit der Orchesterwelt, arrangierte zahllose Opern für seine Kapelle – und er sollte Fremdling in Instrumentierungsfragen gewesen sein?

siehe Bildunterschrift

Johann Strauß und Johannes Brahms in Ischl, 1893

Wahrscheinlich handelt es sich um Musikantenklatsch, der wie jeder Klatsch auf einer Achtelnote Wahrheit beruht. Als Jetty die heimlich entwendeten Walzerskizzen zu Direktor Steiner trug, um sie bühnenartig singen zu lassen, war es Genée, der als Kapellmeister des Theaters an der Wien die Instrumentierung der Skizzen besorgte. Daraus wird in progressiver Sagenbildung die Instrumentierung der Walzer, der Operetten, bis nichts mehr übrigbleibt.

Für jeden, der Orchesterklang erleben kann, spricht das Straußische Orchester selbst gegen die Legende. Die Mozartische Gewichtslosigkeit mit der meisterhaften Verwendung der Harfe ergibt eine Klangwelt für sich, die miterfunden, nicht hineinorchestriert wurde.

Gerade entzückt war von diesem Arom des Strauß-Orchesters Johannes Brahms »und es gereichte ihm zu hoher Freude, als ihm Strauß einmal die Partituren von drei seiner schönsten Walzer aus den Stimmen zusammenschreiben ließ«. Und Max Reger kam auf der Suche nach Leichtigkeit und Durchsichtigkeit des Orchesterklanges auch »zeitweilig zu Johann Strauß, dessen Feinheit der Instrumentation und Fähigkeit, mit anspruchslosen Mitteln eine blühende Farbigkeit und schwebende Grazie hervorzuzaubern, ihn zum Studium von dessen Walzern verlockte, deren ursprüngliche Anmut ja leider meist durch die Massenbenutzung zu allen Zwecken ins Gegenteil verkehrt wird ...« (Max Hasse). Und der polyphone Meister Reger war es, der seine Straußverehrung in der Ballettsuite (Werk 130) bezeugte.

Merkwürdig, daß zwei souveräne Meister wie Brahms und Reger mit Neid die eigene Straußische Sphäre hörten, während der Kontrabassistenverstand nichts merkte.

Freilich hat Johann Strauß gleich Richard Wagner sich immer etwas einfallen lassen, bevor er ans Instrumentieren ging, welche Arglist die persönliche Besonderheit seines Klanges erklären mag. Der Entwurf zum »Simplicius« zeigt im Auftritt des Reichsbarons Grübben die Singstimme ohne Begleitung: nur eine Oboe ist notiert. Der Künstler hörte, orchestral denkend, die Oboenstimme voraus – oder sollte sie der große Unbekannte, der Helfer, gehört haben?

Fast alle Originalpartituren sind mit weichen englischen Bleistiften geschrieben und auch, wo die Stahlfeder benützt wurde (»Fledermaus«), sind die langen Taktstriche dick mit Blei über das Papier gezogen. Was sagt der Unglaube dazu? Wo ist der Helfer? Hat er vielleicht auch die Handschrift des Johann Strauß geschrieben?

Bezeichnend auch, daß Strauß sein Orchester auf den klassischen Tonraum begrenzt, nie romantische Höhenlagen aufsucht, die Harfe nie moderne Glissandi ausführen läßt, also durchaus eigen und nach der Überlieferung verfährt.

Die Legende schrumpft ... Es ist die Tochter jener Legende, die einst behauptet, Rienzi sei von Meyerbeer und die Symphonie Anton Bruckners hätten seine Schüler instrumentiert.


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