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Der Sohn

Ȇberall lernt man nur
von dem, den man liebt.«

Goethe.

 

»Mein Vater war ein Musiker von Gottes Gnaden. Wäre sein innerer Drang nicht ein unwiderstehlicher gewesen, die Schwierigkeiten, die sich ihm in der Jugend entgegenstellten, hätten ihn gewiß in eine andere Bahn gedrängt.« Der Sohn, der solches seinem Vater nachsagt (in der Gesamtausgabe), erzählt in Schlichtheit von einem Mann, der sich wund dachte an der Kunst, der ewig lockenden, ewig trügerischen Loreley auf dem Felsen, von einem Mann, der seine ganze Persönlichkeit verzehrte, um zu erkennen, daß hinter allem Erreichbaren immer noch Unerreichbares wartete. Nun war Vater Strauß nicht Vater Mozart, der Unerreichtes durch den Sohn erfüllt, sich selbst durch ihn beglänzt sehen wollte – mein Kind, mein Werk! – Vater Strauß will den Musiker im Sohn verhindern, weil er das Ausbluten des Kindes verhindern will. Wie Otto Nicolai um jene Zeit (1841) in sein Tagebuch den Seufzer notiert: »Wenn ich einen Sohn habe, soll er alles werden, nur nicht Künstler!« Was vielleicht mit der Veräußerlichung des Lebens durch die anwachsende Mechanisierung und Industrialisierung, gewiß aber mit holden Berufserfahrungen zusammenhängt. Ja, Vater Strauß sucht sogar zu verhindern, daß seine eigene Schwester Ernestine den bei ihm angestellten Musiker Fux, seinen späteren Sekretär, heirate.

Auch im kleinen Jean sitzt aber jener »unwiderstehliche Drang« als Erbteil und die Hauptschwierigkeit, die ihm den Weg sperrt, ist der Vater selbst. Wobei es wieder wunderlich wirkt, daß in diesem Kampf um das Ich und seine Befreiung eben der Vater den Sohn zum Musiker verführt. Ist er doch sein erstes großes, sein tiefstes Jugenderlebnis.

Die Orchester-Instrumente stehen, bis auf die gewichtigsten: Kontrabässe und Pauken, im elterlichen Schlafzimmer. Das sind Wesen, aus denen rätselhafte Stimmen dringen, Diener und Herren, von denen vieles abhängt, weshalb sie geschont und gepflegt werden, und endlich Geräte, die nur auserwählte Familien besitzen. Der Bub sieht den Vater im Verkehr mit ihnen, im Umgang mit den Musikern, sieht ihn über die Notenblätter gebeugt und er müßte kein Musikerkind gewesen sein, müßte Fischblut, nicht Künstlerblut geerbt haben, wenn dieser Mann, der am Pult über alle gebot, mit allen schrie und schimpfte und dem sie doch alle gehorchten – wenn der ihm nicht ein unvergeßliches, beunruhigendes Bild in die junge Seele gedrückt hätte. Es gibt nur einen Beruf: Musiker! Und nur einen Traum: den Vater! Und es gibt nur ein Ziel: es ihm gleichtun! Wie der Vater werden!


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