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293. Heine an Friedrich Merckel

Norderney, den 4. August 1826.

Ich kann die Post nicht von hier abgehen lassen, ohne einige liebe Grüße an Dich mitzuschicken. Das Bad bekömmt mir sehr gut, und das ist die Hauptsache, die ich Dir mitzuteilen habe. Ich lebe hier nicht so vergnügt wie vorig Jahr, und daran hat gewiß meine Stimmung mehr schuld, als die Menschen hier. Ich bin gegen diese oft ungerecht. So will es mich bisweilen bedünken, als sei die schöne Frau aus Celle nicht mehr so schön, wie 1825. Auch das Meer erscheint nicht mehr so romantisch, wie sonst. – Und dennoch hab' ich an seinem Strande das süßeste, mystisch lieblichste Ereignis erlebt, das jemals einen Poeten begeistern konnte. Der Mond schien mir zeigen zu wollen, daß in dieser Welt noch Herrlichkeiten für mich vorhanden. – Wir sprachen kein Wort – es war nur ein langer, tiefer Blick, der Mond machte die Musik dazu – im Vorbeigehen faßte ich ihre Hand, und ich fühlte den geheimen Druck derselben – meine Seele zitterte und glühte. – Ich hab' nachher geweint.

Was hilft's! Wenn ich auch kühn genug bin, das Glück rasch zu erfassen, so kann ich es doch nicht lange festhalten. Ich fürchte, es könnte plötzlich Tag werden – nur das Dunkel gibt mir Mut. – Ein schönes Auge, es wird noch lange in meiner Brust leben, und dann verbleichen und in nichts zerrinnen – wie ich selbst.

Der Mond ist an Schweigen gewöhnt, das Meer plappert zwar beständig, aber man kann seine Worte selten verstehen, und Du, der dritte, der jetzt das Geheimnis weiß, wirst reinen Mund halten, und so bleibt es verborgen in der ewigen Nacht.

Das Leben ist hier ziemlich lebhaft. Der hannövrische Adel spielt die Hauptrolle. Eine Menge fürstlicher Personen. Die Prinzessin Hohenlohe, siebzehn Jahr alt. Die Fürstin Solms ist ebenfalls wieder hergekommen; wir verkehren nicht mehr so viel, wie vorig Jahr, sie scheint mir nicht mehr so innig gewogen zu sein, und wenn wir uns begegnen, droht oder warnt sie immer mit dem aufgehobenen Zeigefinger und will nicht sagen, was das eigentlich bedeuten soll. – An der schönen Cellenserin bewundere ich jetzt nur noch die Stimme. Ich sauge ein ihre Worte. Ich glaub gewiß nicht, daß sie mir gewogen ist, obschon sie letzthin zu mir sagte: »Sie kenne ich in und aus dem Sack.«

Leb wohl, Merckel, und behalte mich lieb. Grüß mir Campe, recht herzlich! – Grüß mir auch Zimmermann, ich denke seiner hier ziemlich oft. Sag ihm, mit meiner Gesundheit bessere es sich, und er dürfe viel Gutes und noch Besseres von mir erwarten.

Leb wohl, so wohl man es in dieser Welt vermag.

*


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