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120. Maler Müller an Christoph Kaufmann

Mannheim d. 23. Octob. 76.

Nein das ärgert mich am Franziscaner – denk nur, Bruder, schon drey Tage wart ich seiner mit Verlangen, er versprach vor seiner Abreise aus nnsrer Gegend mir noch einmal zu sizen, jezt kommt er nicht – weiß in aller Welt nicht warum er ausbleibt hoffe doch nicht daß er krank ist – will morgen mich zu Pferd sezen nacher Heidelberg rutschen und zusehn wies steht –

abends.] ja lieber Bruder es ist mir oft so wenn ich an Dich denke es könte nicht anders seyn wir müßten noch wohl auf Erden mit einander leben, immer bey einander leben bis ans Ende wenns Gott giebt ich weiß nicht Du bist mir gar tief im Herzen – es wäre mir leyd Dich gekant zu haben wens nur um derweilen geweßen – schau ich hab in die Lottrie gesezt, dacht so, wer weiß wies komt, kanst wohl auch was gewinnen, kauf mir dann ein Pferd und reith ein Weilchen nach Deßau zu meinem lieben Bruder.

Eh ich schlaffen geh muß ich Dir noch sagen, Barths Philantropin zu Heidesheim wird schwerlich zu Standt kommen.

Heydelberg.) Da siz ich nun – eben kam ich vom Kloster – der Franziskaner ist seit drey Tagen schon fort – in gottes Nahmen – es thut mir leid daß er nicht zu mir gekommen wie er versprochen mir adjeu zu sagen – Hütt mirs nicht vorgestellt von ihm – will hinausgehn zu meinem Pferde sehn – – Du komst mir so ganz in Sinn – weißtus Bruder wie wier hier im Schopp nebeneinander hielten. Du machtest mich auf Dein Schimmelchen sizen, versprachsts nie zu verkaufen so lange Dir noch ein Bißen überblieb und wenn Du stürbest mirs zu vermachen – Hab selbigmal ein Schwur in meinem Herzen gethan und wenn ichs Heu betteln muß stehlen muß fürs treue Thier ich ernehrts zu Deinem Andenken – und da fiel mir wieder Ulyßes Hund in der herrlichen Odyße ein daß mir die Augen übergingen – die Heldenzeit geht mir auf in der Seele wo der herrliche fällt Ivo der treue Freund an der Grube steht mit dem trauernden Pferd und Hunden, und wie ers nun hinunter wirft in die Erde, seines Geliebten Schild, sein Schwerth, Panzer und Trinkgeschirr, zwey Steine zum andencken sezt sich hinweg wendet und weint – ich war in der Stube wo wir geschlaffen – im Stall – nun muß ich noch ein Augenblick hinauf ins Schloß – ein regnigter Himmel der Wind saußt – ein herrlicher Augenblick die verfallne Majestät zu besuchen – Dich wandeln sehn droben unter trümern Deinen Nahmen zu rufen – aufs Pferd wieder und davon – – Heidelberg adieu, hab alles gethan, getreu gethan lieber Bruder – Kein Mensch hat mich gesehn – soll mich jezt sehn meine Seele ist schwer schwer sehnt sich nach Ergießung –

in meiner Stube abends.] Was einem doch sein Kamerchen angenehm ist wenn mann aus der Welt zurückkomt – sey mann auch nur einen Tag draußen geweßen es ist so – ich hab ein gelübt gethan Bruder das will ich morgen ausführen – all meine geschriebene Bögen all meine Papierchen verbrennen – nichts mehr schreiben, dencken, thun bis mir Gott Muth und Stärcke giebt das auszuführen worauf hauptsächlich der Stolz meines Herzens geht – gute Nacht dann. –

Mittags.] Das war ein schöner Haufen – nun ist mirs leicht daß ich den Wust los bin – Löpel und Kloz heulten wie junge Hunde, schimpften und schalten mich – Sie grabbeln Stanzen und Blätter hervor – ich hab einen treflichen Haufen zusammengerißen es wird einem recht wohl wenn man ihn ansieht –

Ja fröhlichen Muts auf eine gute That folgt immer was guts muß Dirs nur schreiben l. Br. unser Franziskaner ist da – da steht er – hat Worth gehalten ist gekommen – er hat sich gleich nach Dir erkundigt das macht mir ihn noch lieber – Du großer Gott was ist's doch ein herrlich göttlich Ding wenn Menschen an Menschen sich intereßiren – ich will ihn gleich mahlen – noch einmal zeichnen und dann Bruder Lavater schicken. –

Ich hab ihn, beßer als ich ihn je getroffen – ich sag Dirs Bruder das ist ein himmlisch Gesicht – eine anschauliche Predigt voll Menschen Sinn und Menschen Freyheit – wohl dem dem Gott solch eine Miene verliehn – was gäb ich nicht drum diß Gesicht mit Haar und Barth zu sehen – will doch sehen was Hans Caspar dazu sagt – ein närrischer Streich ist mir doch mit ihm geschehen – muß Dirs doch erzehlen – als ich mitten im Zeichnen war voll Gottes Wunder – vor mir sich alle Formen verlohren ich enthüllt vor mir nichts sahe als seine würkende Seele Gottes athem in diesem genievollen Gesicht sprang ich auf, rief: Herr Pater, Sie sterben nicht im Kloster! – Wie so? – Das seh ich aus Ihrem Gesicht, Sie müßen hinaus in die Welt, müßen würcken. Sie werden Feldpater und dann … – Bey meiner Ehre, Sie machen mich fast an Ihre Kunst glauben; ich muß Ihnen nur sagen: ich habe würcklich Beruf als Feldpater in ein Regiment im Elsaß unterzukommen! – Werden Sie's annehmen? – Freylich, freylich, ich gebe mir lang Mühe drum, hoff es auch mit Gott freudig zu bestreiten etzetra –

abends.] Nun hab ich Deine Reißbeschreibung – dank's Ehrmannen daß er mirs zugeschrieben, aber Dir nicht, daß Du's nicht selbst gethan – lieber Br. wie viel ist verlohren gegangen, muß deßwegen verlohren sehn – wie viele schöne Situationen wie überall der Gang die Fährte von meines Gottes Spürhund – Du bist ein herrlicher Kerl das laß Dir von mir Gottes Hundsjungen gesagt seyn –

Da haben wir den Hencker – mann hats zu Heidelberg erfahren daß ich da geweßen ohn einzusprechen – ich excusire mich nicht einmal drum, denn ich weiß warum ichs gethan. Wenn ich so das gestoppel und gegrabel von manchen genies ansehe es wird mir ganz übel – wenns nur hingeschmißen ist – ich habe da Zeichnungen gesehn von Pariser Künstlern – pah! – wenn der liebe Gott so sein Vieh geschaffen, es könnte sich nicht vom Fleck bewegen – oder den Hals zur Erde bringen, wär's auch nur um für eine Stunde Leben Gras auszuweiden – die Stümpler, Pfuscher, ich ärgre mich wenn ich solche Kerls sehe die sich brüsten und den Namen Genie entheiligen. – Schau Bruder Gott ists größte Genie – aber wie vollendet, wie ausgeführt in und durch seine Schöpfung vom Wurm bis zum Elefanten. Da lob ich mir meinen lieben Roos das war noch ein Mann – ich will aber auch in Heidelbergs größten Fels seinen Nahmen hauen lassen.

Liebe mich immer und herzlich, brüderlich – küße mir Ehrmann von Herzen – sag ihm – nein ich wills Ihm nächstens selbst sagen und ihm dancken daß er Dich so aus Grund der Seele liebt.

Müller.

*


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