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265. Otto Heinrich Graf von Loeben an B. de la Motte-Fouque

Im Stift, den 6. September 1812.

Bei den Briefen Kerners und Uhlands lagen die Grüße, die ich Dir sende, an Dich. Mein geliebter Freund! es ist mir diese ganze Zeit so unendlich wohl geworden und gewesen und alter großer Frühling wie von heiligen Bergen in Gotteslichten herniederströmend umfluthet mich und die Strahlen dieser rothen Sonne von den Bergen weihen mich firmelnd zum Isidorus wieder und ich träume von den einst sicheren Flügeln und besteige wieder die Regenbogen ... aber wie man die Musik keinem beschreiben kann, doch man nennt das Wort Musik und es durchbebt der selige Blitz die Tiefe des verwandten Wesens, so geb' ich Dir nur leise, mit den wenigen Worten die Stimmung an und Du kennst die ganze Fuge und

»Die Fuge schließt im Gloria der Liebe«.

Ich fühle von neuem mächtig, wie ich einzig religiös dichten und schaffen soll; aber religiös im freimachenden Sinne; Freude schwebt auf der Iris und umgürtet die Erde und kettet sie mit Liebesarmen hinan und in dem Thränen der Sehnsucht formiren sich die Farben, und Posaunen und Waldhorn steigen durch die Tiefen im Kampf und auf die Höhen zur ewigen Ruhe.

»Es sehnt nach lauter Herzensschlägen
Was unten in der Tiefe lebt,
Und was da oben webt und strebt,
Will müde sich herunterlegen.
Das Leben sehnt sich in den Tod,
Was man der stillen Tiefe bot,
Wird sie aus Sehnsucht wiedergeben.«

Das Reisebuch liegt mir jetzt immer zur Seite, und tausend Fragmente von Heidelberg, meinem Tabor; so sucht man aus der Vergangenheit der Erde ihre Anwartschaft auf noch entscheidende Zukunft anzuschauen und das Waldhorn, dessen Klänge man ferne vernimmt, wird zum Fernrohre der Poesie und sie schaut ihre Brüder, die Sterne. Es drängt mich sehr von den Menschen weg und ich möchte nur die gerne sehen, die mit erleuchteten, immer gleich begeisterten Zügen ihre Liebe mir entgegenflammen und den Einen Altar zum Ziele haben, wo Dionysius und der zweite, den Du auch hast reden hören im Briefe, mit mir Eine Flamme waren und bleiben. Wir hoffen Beide auf eine Wiedervereinigung, die vielleicht die ewige Liebe unserer Freundschaft bald bestimmt hat, und ich träume oft ganz wunderbar von dieser Zeit. Noch bin ich unbestimmt, ob ich diesen Winter nach Wien oder Berlin komme; nichts Aeußeres lockt mich an keinen der zwei Orte; meinem ganzen jetzigen Sehnen näher scheint mir eine Existenz in Berlin, in Wien finde ich Friedrich Schlegel und der Eine wiegt schwer. In Berlin weiß ich so manche, die mich verstehn und ich weiß Dich und Serenen nahe und es würde von einem solchen Wissen doch zuversichtlich zum Schauen kommen. Solltest Du wissen, wie es in Berlin aussieht und ob man durch das Kriegerische gestört ist, so theile mir es mit. Deinen Novellen sehe ich recht entgegen und sie gehören unter das von Dir, was ich zu meinem Eigenthume zähle. Kerner hat mir einen himmlischen Brief geschrieben. Mag der Gott in der Poesie nur Beide bewahren, daß sie nicht einseitig in der Vergangenheit versinken, der göttliche Tieck, der ihnen doch principium movens gewesen zu seyn scheint, kann auch darin zum Vorbilde dienen. Wie tief mich dieser wieder rührt und mir oft so ganz Jacob Böhme in Musik ist, kann ich Dir nicht genug sagen. Ich bin recht erfüllt davon und oft fühle ich mich im Stande über seine progressiven Werke einen psychologischen Commentar zu schreiben. Über Novalis den einzigen will ich erst heute gar nichts sagen, es ist ja überhaupt nur die Wahl, nichts oder alles von ihm zu sagen. Nimm die flüchtigen Andeutungen hin, solltest Du mit uns in Heidelberg gewesen seyn, ich brauchte Dir keine meiner alten Erinnerungen aufzufrischen. Gott segne Dich und unsere Freundschaft, und möge ich noch die Freude erleben, daß Dir die Notwendigkeit in meiner Dichtung gewiß wird, wie Du ewig gewiß bist

deinem
Isidorus.

*


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