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Coblenz, 22. Juni 1852.
Abgeschickt 29. Juli.
Geliebter Görres! Oft habe ich Blätter schon vor Jahren an Dich voll geschrieben, die nicht vollendet, nicht fortgeschickt und im Abschließen von Perioden des Lebens verbrannt wurden. Es ist schwer, an Dich zu schreiben; im Bild, das Du zurückläßt, und dann und wann in öffentlichen Äußerungen erfrischest, scheinst Du immer bereits Alles zu wissen oder auf eine nicht verletzende Art zu denken, zu fühlen, Du wüßtest Alles; was soll man aber einem solchen Propheten und Zeichendeuter schreiben? Jetzt bei diesen Zeilen schon möchte ich die Feder niederlegen, denn was habe ich Dir für einen Löwen zu gebären, den Du nicht schon ex unque vorausweißt, ja mit ihm schon schwanger gehst, ehe ich von ihm accouchirt bin. Was soll man solchen Leuten sagen? Man muß sich selbst viel oder gar nichts einbilden, um ihnen zu schreiben, wenn man nicht Geschäfte mit ihnen hat, oder von ihnen besessen ist. Wäre ich ein Handwerker, so hätte ich ein Verhältnis zu Dir, denn Du kannst z. B. keine Schuh machen, doch könntest Du Dich noch immer mit Barfüßigkeit vor mir bewahren, aber ohne Amt, ohne Aufgabe, als eine sehr individuelle, mich selbst zu bekehren, habe ich keinen Beruf, den Du nicht selbst ebenso gut hättest und viel besser erfülltest.
Im Allgemeinen weiß ich, wie Gott Dich und die Deinigen geführt und sage ihm den innigsten Dank, daß er Dich bewahrt hat vor Verwesung, Verbrennung, Verwitterung, Versteinerung, ja vor Vergötterung in der Zeit und daß Du in der inkompleten, doch überzähligen, verwirrten, verbundenen, verdrückten, falschzitatigen Bibliothek aller Erkenntnisse und Methoden dieses gefallenen, fortstürzenden Lebens, als ein guter Spürhund die Nase (kalde Hundsschnauze, sieh Einsiedlerzeitung!) gesund bewahrt, und die Spur des Gottes und Menschen in seiner Kirche gefunden hast und darauf bellest und jagest, Holz und Wilddiebe, Wölfe in Schafskleidern, tolle Füchse und echapirte Menagerie-Löwen etc., auch Grenzsteinverrücker u. dgl. –
Als ich vor zwei Jahren auf den Willen der ein Jahr später verstorbenen, mehr als irgend ein je genannter Mensch begnadigten Klosterfrau A. C. Emmerik, nach 18 Jahren wieder plötzlich einmal nach Frankfurt ging, weil wie sie mir sagte, mir Menschen begegnen sollten, denen ich nützen würde, ließ mich der Zufall im Riesen übernachten und am folgenden Morgen sagte mir die freundliche Wirthin: hier ist des alten Görres Haus. Das rührte mich so sehr, ich dachte Deines Vaters, der mit weißer Mütze in meiner Jugend zu dem Fenster herausguckte und wie Du Aushecker hier ausgeheckt worden. Aber das Schild erfreut mich, weil der Riese, die Grundlage des Hl. Christopherus, der wie Du immer den größten Herrn suchend, nun zuletzt unter dem Christkindlein seufzen muß, das durch die Woge des Weltwassers tragend er demüthig jenseits ankömmt. Mein lieber Görres! sieh, das weißt Du wieder Alles und fühlst es unaussprechlicher als ich, sonst würdest, müßtest, könntest Du es ja aussprechen.
... Dein bestes Werk, das Erbarmen mit den Hungernden hat doch schöne Früchte getragen, unwillkürlich wachsen geistliche Früchte dadurch im abblühenden Garten der falschen, zeitlichen Begeisterung. Wenn Dein politischer Vesuv längst ein unfruchtbarer Krater ist, werden fruchtbare Gärten von Milde an seinem Fuße Dich segnen. Auch Du hast Porzellain gekriegt, da Du Geld machen wolltest und es ist auch besser, denn es wird nicht dazu kommen Porzellaingeld zu machen, was Fichte mit großem Geheimnis vorschlug. – Vielerlei und auch meine Liebe versteht sich am Rand. Salve!
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