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196. Hölderlin an Nast

Tausend Dank – lieber Bruder – für Dein herrliches Gemählde – Deinen lieben Brief! Du hätst nur sehen sollen, wie mirs war – ich bekam ihn ob dem Essen – und da hatte ich das Unglük – daß ich mich, insonderheit am Ende, wo Du mich so schön mit einer heitern Zukunft getröstet hast, des Weinens nimmer enthalten konnte – mir fielen ein paar Tränentropfen in die Suppe – und kaum konnte ich sie vor Bilfingern, der neben mir saß, verbergen. Aber er muß doch was gemerkt haben, er blinzte mich so mit seinen Schelmenaugen an, und da ists allemal richtig!!!

Wann Du nur wüßtest, wie oft ich an Dich dächte! Wie oft ich Dich zu mir wünschte!

O Bruder, Bruder! ich bin so ein schwacher Kerl – aber ich gestehs auch sonst niemand als Dir – und nicht wahr, Du hast lieber Mitleiden mit mir, als daß Du lachst über das, daß ich geweint hab ob Deinem Brief?

Aber Du lieber Gott! ich muß Dirs nur gestehn, es liegt mir mehr auf dem Herzen, als was ich Dir neulich geschrieben habe! Du kanst mir glauben, Gott hat mir mein redlichs Theil Leiden beschert! ich mag keines sagen – Du möchtest meinen Brief in einer lustigen Stunde bekommen, und da würd' ich mir ein Gewissen daraus machen. Dir sie zu verderben mit meinen Klagen! Ich weiß, wie sehnlich ich oft nach einem heitern Augenblik schnappe – und wie ich ihn dann so festzuhalten suche, wenn ich ihn habe, und so könte Dirs leicht auch gehen –

Hier halt' ichs nimmer aus! nein warlich! Ich muß fort – ich habe [mirs] vest vorgenommen, entweder meiner Mutter morgen zu schreiben – daß sie mich gar aus dem Kloster nimmt, oder den Prälaten um eine Curzeit von etlich Monathen zu bitten, weil ich öfters Blut auswerfe. – Du siehst, Freund, 's geht allmählig mit mir zur Ruhe. Sei getrost!!! Bekümre Dich nur nicht um mich!!!

Dein Hölderlin.

Für Deinen lieben Apoll nochmal tausend Dank – er hat mir schon manchen guten Augenblik gemacht – ich sehe ihn gewiß alle Tage an!

*


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