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263. Joseph von Görres an Clemens Brentano

Straßburg, 25. Juli 1825.

Nun was machst Du denn, Du alter Nonnenpater? Ich muß ihm nur zuerst schreiben, sonst mault er noch ein ganz Jahr, will und will nicht, und brummt dazu wie ein Bär, und meint, er spotte mir nach und könne das Instrument vollkommen so gut handhaben wie ich. Je nun, was wird er machen? Er sitzt in seinem Neste, schreibt Apokryphen de infantia Jesu, macht nebenbei bei feierlichen Gelegenheiten den Stadtpoeten, stört die Ruhe der Heiligen, die tausend Jahre in ihrem Grabe gelegen, daß sie mit zu Hofe müssen, erbaut einige Leute, ärgert noch mehrere, hält öftere Sermonen über die Weltlichkeit der Welt etc.; endlich wenn die Zeit verlaufen, zieht er ab begleitet von den Segenswünschen einiger Wenigen und von den langen Gesichtern der Übrigen. Zwar schlägt Einiges von diesem auch in mein Departement, aber ich mache alles sanfter, behutsamer, mit mehr Rücksicht auf den Menschen und die Bücher von ihm, wie er ist und wie er sein sollte, darum haben sie mich auch nicht von Haus und Hof gejagt wie Dich, den sie sogar endlich nach Coblenz gesprengt, um dort in der Heidenschaft den Missionar zu machen. Daran spiegle Du Dich und nimm Dir ein Beispiel; die Wände sind zu solid gebaut, man kömmt nicht mit dem Kopfe hindurch; beugt man aber nur ein klein wenig aus, dann umgeht man sie, hat keinen Verdruß und kömmt ohne Anstrengung zum Ziele. Aber so junge Leute aus der romantischen Schule achten die Erfahrung für nichts, bis sie widergerannt sind; jetzt sieh Du zu, ichs weiß Dir nicht zu helfen. Hast Du aber Deine Pönitenz ausgestanden, dann komme her nach Strasburg: ich habe schöne Connexionen bei der Polizei, da mache ich einen günstigen Rapport über Dich, und Du kannst ganz unbeunruhigt hier leben und Dein schönes Talent, Menschen zu gewinnen, vollends kultivieren. Mit den Preußen ist nichts, die sind alle Theeisten, da hält kein Nagel mehr und alle Planken wittern auseinander.

Du hast mich neulich zum Doktor der Theologie creirt und als Inauguraldissertation mir nichts Geringeres als so die Theologie im Ganzen aufgegeben. Du Barbar bedenkst nicht, daß Dein Nebenmensch nur ein schwacher, gebrechlicher, sterblicher Mensch ist wie Du, dem eine Fee die Sachen nicht in die Windeln eingebunden, sondern der pflügen und eggen und säen muß und dann erst erndten kann, was Gott bescheert. Hoffärtig bin ich auch nicht genug, um damit zu ersetzen, was an ganzer Summe fehlt; hexen darf man nicht in der Materie, und ich kanns auch nicht: also siehst Du, daß Deine Aufgabe so zusagen überschwänglich ist, und ein Gerechter schont sogar seines Viehes, und Du wolltest gegen Deinen Bruder, der mit Dir unter einer Haut den Uhrmacher componirt, also wüthen! Es muß also dabei bleiben, wie's bisher gewesen; wo ich hingehe, werfe ich rechts und links eine Hand voll Samen aus, ein Theil fällt auf den Weg, ein Theil in die Dornen, ein anderer auf den Felsen, einiges vielleicht auch auf ein gutes Erdreich, wo es gedeiht. Das läßt sich bestreiten, ohne einen langen schwarzen Mantel zu tragen und die kleinen schwarzen weißgeränderten Läppchen unter dem Kinn und dem spitzen dreieckten Hute zu schleppen. Also sei Du mir ein milder liebreicher Geselle, ich will dem alten Sünder dafür auch einmal durch die Finger sehen.

Mein Witz ist, wie ich hoffe, just capabel gewesen dem Deinigen den Zapfen auszustoßen, also laß es strömen immerhin; oder bist Du bei höchst ernsthafter Laune, je nun so predige mir einmal, ich will nicht einschlafen dabei. Deinen letzten Brief, der von so lange her ist, daß wir nach dem Intervalle, allem menschlichen Ansehen gemäß schwerlich zweimal in unserem Leben der Art Briefe wechseln, hat mir Meusebach gestohlen und aus Strafe Gottes ist er taub geworden; hier gibt es keine solche Diebe, die Leute fragen den Teufel nach Deiner Handschrift. – Was macht denn Dein Bruder Christian in Rom, ich habe auch lange nichts mehr von dem gehört. Gehabe Dich wohl, und Gott behüte Dich.

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