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161. Bürger an Goethe

[Wöllmershausen, Januar 1776.]

Ich bin todt, mein lieber Junge, und in kalten Wasserfluthen versoffen, und versaufe täglich immer mehr und sterbe täglich immer mehr. Meine Lebenssäfte sind ausgetrocknet oder erstarrt bis auf die Galle. Diese ist nun einzige und Selbstherrscherinn meiner ganzen Maschine. Wie gefällt Dir Timon, zu deütsch Gifftmichel, in seiner Höhle? Und wie die Ogres, die so gern frisches Kinderfleisch wittern und fressen mögen? Wenn ich Dich nicht auch für einen Gifftmichel hielte, wenn ich wüste, daß Du ein galanter Menscheufreünd wärest, so würd' ich keinen Schritt mehr nach Dir thun. –

Ich habe ein gutes Weib und ein schönes Kind vom zweyten Geschlecht, aber was helfen die einem Herzen, über welchem Basilisken brüten. Wie oft ärgere ich mich, daß Die mich nicht ärgern können und wollen. –

Apropos! mein lieber Göthe schreib mir doch mal bey Gelegenheit, ob Du Dich kennst? Und wie Dus anfängst Dich kennen zu lernen? Denn ich lern' es nimmer mehr, und kenne Keinen weniger als mich selbst.

Wenn Du was gemacht hast, das den bösen Geist auf ein Weilchen aus mir heraus bannen kann, so mußt Du mir selbst nachweisen, denn ich liege verrammelt und scheere mich um nichts, was draußen vorgehet.

An Deinem Meisterstück sollen ja viele Saüen grunzen und sich dran reiben und viele Hund das Bein aufheben. Sie werdens aber wohl nicht umgrunzen, umreiben, umseichen.

*


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