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Du übst, du guter, lieber Junge, mit deiner Beredsamkeit eine wunderliche Gewalt über mein Herz aus, und ob ich dir gleich die ganze Einsicht in meinen Zustand selber gegeben habe, so rückst du mir doch zuweilen mein Bild so nahe vor die Seele, daß ich darüber, wie vor der neuesten Erscheinung von der Welt, zusammenfahre. Ich werde jener feierlichen Nacht niemals vergessen, da du mich in dem schlechtesten Loche von Frankreich auf eine wahrhaft erhabene Art, beinahe wie der Erzengel seinen gefallenen Bruder in der Messiade, ausgescholten hast. Warum kann ich dich nicht mehr als meinen Meister verehren, o du, den ich immer noch über Alles liebe? – Wie flogen wir vor einem Jahre einander, in Dreßden, in dir Arme! Wie öffnete sich die Welt unermeßlich, gleich einer Rennbahn, vor unfern in der Begierde des Wettkampfs erzitternden Gemüthern! Und nun liegen wir, übereinander gestürzt, mit unfern Blicken den Lauf zum Ziele vollendend, das uns nie so glänzend erschien, als jetzt, im Staube unsres Sturzes eingehüllt! Mein, mein ist die Schuld, ich habe dich verwickelt, ach, ich kann dir dies nicht so sagen, wie ich es empfinde. – Was soll ich, liebster Pfuël, mit allen diesen Thränen anfangen? Ich möchte mir, zum Zeitvertreib, wie jener nackte König Richard, mit ihrem minutenweisen Falle eine Gruft aushöhlen, mich und dich und unsern unendlichen Schmerz darin zu versenken. So umarmen wir uns nicht wieder! So nicht, wenn wir einst, von unserm Sturze erholt, denn wovon heilte der Mensch nicht! einander, auf Krücken, wieder begegnen. Damals liebten wir ineinander das Höchste in der Menschheit; denn wir liebten die ganze Ausbildung unsrer Naturen, ach! in ein Paar glücklichen Anlagen, die sich eben entwickelten. Wir empfanden, ich wenigstens, den lieblichen Enthusiasmus der Freundschaft! Du stelltest das Zeitalter der Griechen in meinem Herzen wieder her, ich hätte bei dir schlafen können, du lieber Junge; so umarmte dich meine ganze Seele! Ich habe deinen schönen Leib oft, wenn du in Thun vor meinen Augen in den See stiegest, mit wahrhaft mädchenhaften Gefühlen betrachtet. Er könnte wirklich einem Künstler zur Studie dienen. Ich hätte, wenn ich Einer gewesen wäre, vielleicht die Idee eines Gottes durch ihn empfangen. Dein kleiner, krauser Kopf, einem feisten Halse aufgesetzt, zwei breite Schultern, ein nerviger Leib, das Ganze ein musterhaftes Bild der Stärke, als ob du dem schönsten jungen Stier, der jemals dem Zeus geblutet, nachgebildet wärest. Mir ist die ganze Gesetzgebung des Lykurgus, und sein Begriff von der Liebe der Jünglinge, durch die Empfindung, die du mir geweckt hast, klar geworden. Komm zu mir! Höre, ich will dir was sagen. Ich habe mir diesen Altenstein lieb gewonnen, mir sind die Abfassung einiger Reskripte übertragen worden, ich zweifle nicht mehr, daß ich die ganze Probe, nach jeder vernünftigen Erwartung bestehen werde. Ich kann ein Differentiale finden, und einen Vers machen; sind das nicht die beiden Enden der menschlichen Fähigkeit? Man wird mich gewiß, und bald, und mit Gehalt anstellen, geh mit mir nach Anspach, und laß uns der süßen Freundschafft genießen. Laß mich mit allen diesen Kämpfen etwas erworben haben, das mir das Leben wenigstens erträglich macht. Du hast in Leipzig mit mir getheilt, oder hast es doch gewollt, welches gleichviel ist; nimm von mir ein Gleiches an! Ich heirathe niemals, sei du die Frau mir, die Kinder, und die Enkel! Geh nicht weiter auf dem Wege, den du betreten hast. Wirf dich dem Schicksal nicht unter die Füße, es ist ungroßmüthig, und zertrit dich. Laß es an Einem Opfer genug sein. Erhalte dir die Ruinen deiner Seele, sie sollen uns ewig mit Lust an die romantische Zeit unsres Lebens erinnern. Und wenn dich einst ein guter Krieg in's Schlachtfeld ruft, deiner Heimath, so geh, man wird deinen Werth empfinden, wenn die Noth drängt. – Nimm meinen Vorschlag an. Wenn du dies nicht thust, so fühl ich, daß mich niemand auf der Welt liebt. Ich mögte dir noch mehr sagen, aber es taugt nicht für das Briefformat. Mündlich ein Mehreres.
Berlin, d 7t Januar, 1805
Heinrich v. Kleist.
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