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178. Ludwig Ferdinand Huber an Schiller

Leipzig, den 11. Oktober 1785.

Dorchen wird Dir meinen Dank für Deinen letzten Brief ausgerichtet haben. Er hat mich auf die süßeste, auf die interessanteste Art beschäftigt, und hundertmal schon seit dem Samstag habe ich Dir ihn im Geiste beantwortet, vielleicht besser und kräftiger beantwortet, als es hier auf dem Papiere geschehen wird. Deine Freundschaft, Lieber, hat gerade die Wärme, fast möchte ich sagen das Eingewurzelte, das ich ihr wünsche, damit sie der meinigen gleichkomme, Schwärmerischer Ton und empfindende Süßlichkeiten sind nie meine Sache gewesen; ich habe immer männlichen Ernst, männliche Thätigkeit in der Freundschaft – wenigstens geahnt. Jetzt ist die Zeit da, wo die Träumereien in Wirklichkeit übergehen sollen, und ich befürchte nicht, daß diese vor jenen zu erröten haben wird. Unsre Freundschaft wird uns Trieb zum Großen und Guten, Sporn und Lohn zugleich sein, und – »schöner, als er uns von sich ließ, soll der Himmel uns wieder haben und mit Bewunderung eingestehen, daß nur die Freundschaft die letzte Hand an die Seelen legt.«

Mein Carlos! Ich glaube, Du bedarfst eines Rodrigo, der zuweilen »Deinen großen Genius bei seinem Namen ruft. Deine Seele öffnet sich oft Gespenstern und schließt sie an sich, daß sie ihr Innerstes kälten. Du hast etwas, das Du mir sagen willst, vielleicht nicht sagen wirst. Ich werde schon beobachten. Es gibt Fälle, wo man das Geheimnis seines Freundes ehren muß; es gibt andre, wo man ihn auf die Folter spannen darf, daß er bekenne. Der Genius meines männlichen Gefühles, der in Dresden mich in Empfang nehmen wird, wird auch da mir das Beste eingeben.

Ist Deine geringere Achtung des Enthusiasmus und jenes, was Deine Seele beklemmt und Du mir nicht nennst, nicht vielleicht eins? Ist nicht mehr Zusammenhang unter beiden, als Du Dir einbildest? Du sagst, wir geben den Dingen um uns her die Farbe unsrer Schäferstunde; aber wir geben ihnen auch die Farbe unsrer schwarzen, mißmutigen Stunden, und die ist weniger noch ihre eigene als jene. Dein Bild hat viel Wahres, Treffendes und so viel Schönes, daß es mich den Enthusiasmus lieben machte, der es erfand, um den Enthusiasmus herunterzusetzen. Aber ist es recht, dem freien Geiste die Gesetze der Kirchenwelt aufzudringen, ihm, dem rast- und endlosen, die Grenzen zu setzen, welche der toten Materie vorgeschrieben sind? Nein, Freund ich glaube nicht, daß die Seele des Menschen an diese eisernen Regeln der physischen Notwendigkeit gefesselt ist. Die Kugel, die der Enthusiasmus emporwarf, stieg zuweilen bis zum Himmel hinan, und reine Geister nahmen sie da in Empfang. So lange Stoff da ist, der den Geist empfangen und gebären macht so lange kennt er keine Grenzen, die seine Tätigkeit aufhalten; und darum sollte er von der Materie unterjocht werden, daß er nach ihren Gesetzen sich richten ließe, wenn er über sie hinausreicht, und fortdauert, da sie aufgehört hat? Trieb Dich je der Enthusiasmus, Wahrheit zu suchen, und Du hattest Wahrheit gefunden, wo blieb da die Notwendigkeit, daß die Kugel fallen mußte? Ich finde mich aber lächerlich, daß ich den Enthusiasmus gegen Dich rechtfertigen will. Du zankst Dich mit Deiner Geliebten, und ehe der Mittelsmann die Gründe zusammengesucht hat, euch zu versöhnen, liegt ihr einander in den Armen, zärtlicher als zuvor.

Dir schwindelt noch immer, wenn Du an Shakespeare hinaufsiehst? Dein großer Genius – wie soll ich Dir ihn nennen? Schwindle nicht vor dem Briten Shakespeare – deutscher Schiller!

... Ich könnte Dir heute noch viel sagen – überhaupt ist's mir, als sollte dieser Brief das Instrument unsres Bundes sein, aber das Siegel ist ja schon draufgedrückt – und Dorchen wartet auf mich. Ich bin ruhig. Das Verhältnis unter uns dreien ist so schön, so süß, daß Du selbst verlieren würdest, wenn Du es störtest ...

Lebe wohl, Freund! Was könnte ich Dir noch sagen, das nicht ermatten müßte vor dem Gefühle unsres so nahen Wiedersehens und eines solchen Wiedersehens? Lebe wohl und gib Körners ihren Anteil an der Freude, die mich jetzt durchdringt.

Huber.

*


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