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22. Rabener an Giseke

Den 1. April, 1748.

Sie sind wahrhaftig mein einziger Freund in der Noth. Wenn mich die andern alle in meiner unwitzigen Einsamkeit verlassen, so schreiben doch Sie an mich, und machen, daß ich wieder auf ein paar Stunden Muth bekomme, die Menschengesichter zu ertragen, mit denen ich umgehen muß. Der Himmel wird Ihnen dieses Werk der Liebe nicht unvergolten lassen; und wenn Sie künftig auch zuweilen in meine traurigen Umstände kommen, so wird sich auch für Sie ein Freund finden, der an Ihnen die Barmherzigkeit ausübt, für die ich Ihnen itzo danke. Alsdann erst werden Sie die Richtigkeit meines Wunsches und die Verbindlichkeit völlig einsehen, die ich Ihnen schuldig bin.

Die Nachricht von Ihrer Veränderung ist mir sehr unerwartet. Wäre ich eigennützig, so wünschte ich, daß gar nichts draus werden möchte; allein ich liebe Sie zu sehr, als daß ich solches im Ernste wünschen sollte. Die Umstände scheinen dabey so vorteilhaft zu seyn, als es möglich ist. Wie sehr bedaure ich euch, Recruten der Kirche, daß euer erster Beruf gemeiniglich das Kinderlehren ist! – – –

Wie unvermuthet muß ich Sie verlieren! Wäre ich in dergleichen Fällen nicht bereits so sehr abgehärtet, und wäre ich nicht schon so gewohnt, einen Freund nach dem andern von Leipzig zu verlieren; so würde mir diese unvermuthete Trennung noch weit empfindlicher seyn. Aber das ist doch zu grausam, daß ich meinen lieben Freund, ohne Abschied von ihm zu nehmen, auf ewig einbüßen soll. – – Ich bitte Sie, Ihrentwegen und meinetwegen bitte ich Sie, reisen Sie ja noch zum Herrn von Hagedorn nach Hamburg, ehe Sie nach Hannover gehen. Grüßen Sie meine Freunde in Leipzig; Gellerten, Cramern und Schlegeln grüßen Sie zweymal; Klopstocken küssen Sie in meinem Namen mit einem epischen Kuß: Leben Sie wohl. Ich bin mitten unter meinen Akten und Bauern

Ihr
Freund
Rabener.

*


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