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Dankeswort, gesprochen am 26. Juni 1920 in Luzern
Mit Ehrungen und Sympathiekundgebungen überhäuft, verspüre ich das Bedürfnis, meinen Dankgefühlen Aussprache zu gewähren. Den ersten Dank schulde ich den Veranstaltern dieses Festes, also der «Freien Vereinigung Wohlgesinnter». Namentlich ihrem trefflichen Präsidenten, Herrn Forstinspektor Burri, dessen Eifer im Dienste der Jugend- und Volksförderung keine Hindernisse kennt und dessen gewitzigte Erfahrung, was er immer unternimmt, ans Ziel steuert. Ist er es doch auch, der den Männerchor Luzern und das Kursaal-Orchester zu bewegen vermochte, ihre liebenswürdige Mitwirkung zu leihen.
Ich sehe mich von erlesenen Vertretern eidgenössischer, kantonaler und städtischer Behörden, Lehr- und Erziehungsanstalten, literarischer und gemeinnütziger Gesellschaften umgeben. Ich blicke in eine Reihe wohlwollender Gesichter, die mir aus sämtlichen Teilen der Schweiz Volksgrüße und heimatlichen Wälder- und Wiesenodem bringen. Achtungs- und Dankeskundgebungen seitens der Behörden bedeuten immer eine große Ehre, und die brüderliche Liebe der Mitbürger wirkt wie ein Gesundbad der Herznerven.
Für den Dichter indessen an seinem Lebensabend handelt es sich dabei um etwas noch Wichtigeres, nämlich die erlösende Antwort auf die bange Frage: Habe ich wirklich etwas geleistet, was für die Menschheit Wert hat? Oder war all die Mühe eitel?
Mit den Achtungsbeweisen der Mitbürger bewehrt, darf man im Geiste zu den Gräbern seiner Heimat pilgern und demütig und andächtig zu den Toten, die unter dem Boden liegen, flüstern: Seht her und vernehmet! O Trost! Das Vaterland bezeugt mir: ich habe euch keine Schande gemacht!
Daß Kollege Bohnenblust eigens aus Genf herreisen mochte, um für den heutigen Anlaß die Rede zu halten und was für eine glänzende, gescheite, inhaltsgesättigte Rede , rechne ich ihm für einen echten Freundesbeweis an. Zugleich für einen rührenden Akt bescheidener Entsagung, da er ja selber dichterisches Profil besitzt. Über den Inhalt seiner Rede nur das kleinste Wörtlein zu munkeln, geziemt mir nicht. Hingegen für die warme Temperatur seines ganzen Textes ihm zu danken, ist mir erlaubt. Auch möchte ich auf die außerordentliche Schwierigkeit seiner Aufgabe aufmerksam machen, vor versammeltem Publikum einem leibhaftig Anwesenden die literarische Diagnose ins Gesicht zu dozieren. Eine förmliche Vivisektion mit nekrologischem Beigeschmack. Um eine solche fast unmögliche Aufgabe glücklich zu lösen, dazu brauchte es des Taktes und der Klugheit eines Bohnenblust …Ich beantworte seine Diagnose mit einer Prognose. Sie werden über Bohnenblust nächstens des öftern Rühmliches erfahren. Fama hat ihn zu ihrem Liebling erkoren. Mit Recht: denn Bohnenblust bedeutet für die Schweiz eine Zukunftshoffnung und eine Stütze der Gegenwart. In der Politik hat er die schöne Rolle der Verständigung zwischen Ostschweiz und Westschweiz übernommen. Von seinen literarischen Vorzügen, denen er die Professuren von Genf und Lausanne verdankt, haben Sie soeben eine überzeugende Probe erhalten.
Und nun der Vortrag von Elli Haemmerli. Ich bin um die Worte der Bewunderung verlegen. Das war ja keine Rezitation, keine Deklamation, das war ein hinreißender Gesang. Ein seelisch reichbegabtes und hochgebildetes Menschenkind, das sich mit allen Fasern seines Wesens in eine Dichtung hineinlebt, um diese dann mit flammender Begeisterung aus dem Herzen hinauszujubeln, so frisch, als wäre die Dichtung diesen Augenblick entstanden, so siegreich, daß der Verfasser selber sich der Wirkung seines Werkes ergeben mußte. Elli Haemmerli, ich bekenne mich von Ihrem Apoll ergriffen, mehr als ergriffen, erhoben! Sie haben mir mit Ihrer weihevollen Vertonung eine unvergeßliche Erinnerung zum Geschenk gemacht. Und was Sie als eine Huldigung für mich meinten, empfinde ich als eine mir erwiesene Auszeichnung.
Welchen Mitwirkenden aber ich am meisten danke, das sage ich Ihnen halblaut im Vertrauen. Denen, die, ohne sich sonderlich um die Werke des Felix Tandem zu kümmern, aus reiner persönlicher Sympathie für den Privatmenschen erschienen sind. Ich weiß nicht, ob persönliche Sympathie eine Leistung heißen darf, eine Mitwirkung ist sie jedenfalls. Und zwar eine köstliche. Denn sie erzeugt Traulichkeit, kraft deren einem unbefangen wohl wird. Der Worte bedarf es da nicht. Man liest es im Blick, in den Mienen; man merkt es im Gefühl und Gespür.
Und die, die im Herzen bei uns sind, jedoch am körperlichen Erscheinen verhindert wurden, heiße ich ebenfalls als Anwesende willkommen. Sehen Sie ihre schönen Augen, wie sie aus Nacht und Ferne durch die Fenster hereinschauen?
Liebe Freunde!
Wer mit fünfundsiebzig Jahren und zwei Monaten seinen Geburtstag zu feiern bekommt, hätte wohl Anlaß zu ernsten Betrachtungen; allein ich unterdrücke sie. Neben andern Gründen deshalb, weil die dunkle Tonart mir nicht hierher paßt. Ich halte es nämlich mit den Japanern, welche es sich zur Pflicht machen, ihren Gästen und Freunden unter allen Umständen ein fröhliches Gesicht zu zeigen.
Bloß eine Bitte will ich aussprechen. Sie sehen vor sich einen Menschen in festlicher Beleuchtung, gefeiert und gepriesen. Und sehen ihn ausnahmsweise, in seltener Stunde. Wenn Sie jedoch denselben Menschen jahraus jahrein, bei Regen wie Sonnenschein täglich um sich hätten? Hm ... Die Welt bekommt die Nuß, die Familie die Schale. Freilich, die Schale lebt, ist mit der Nuß durch denselben Pulsschlag verbunden. Leidet die Schale Schaden, so erkrankt auch der Kern. Wer sie pflegt und behütet, der erwirbt sich um den Kern unschätzbare Verdienste.
Darum lautet meine Bitte: Nachdem ich werde fortgezogen sein, unbekannt wohin, übertragen Sie fortan die freundliche Gesinnung, die Sie mir gezollt, auch auf die Meinigen, die Jahr um Jahr, meine Schwächen nachsichtig ertragend, mich mit derjenigen Speise labten, welche dem Menschen so unentbehrlich ist, mit der Lebensluft der Liebe, die mir aus Eintracht und Frieden ein Asyl betteten, von wo herab ich auf alle äußeren Anfechtungen so seelenruhig blicken konnte wie das Eichhörnchen aus dem Tannenwipfel, deren aufopfernde Pflege im Verein mit der treuen Besorgung des trefflichen Arztes es zustande gebracht hat, daß ich heute lebendig und munter als hoffnungsvoller Methusalem unter Ihnen weilen und mich Ihrer liebenswürdigen Gesellschaft erfreuen kann.
Wer mir zustimmt, beliebe sein Glas zu erheben.
Satz und Druck: Berichthaus Zürich