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83. An Frau Marie Baumgartner.

Basel, 15. November 1878.

Verehrte liebe Frau Baumgartner, nur ein paar Worte! Über Ihre Dichtungen »Über Ihre Dichtungen«, der Brief ist die Antwort auf einige französische, an Nietzsche gerichteten Gedichte von Frau Baumgartner. als Gedichte nur eine Meinung zu haben, wäre ganz und gar von mir unbescheiden. Genug, Sie scheinen mir im Elemente Ihrer Sprache und der kunstvollen Form sich heimisch zu fühlen; im übrigen weiß wohl ein Gedankendichter wie Herr Prudhomme zu raten.

Ihre Dichtungen aber als Wahrheiten betrachtet, die Sie sich und mir sagen: ja – da bedauere ich Sie ebenso sehr, als ich mich beglückwünsche. Denn Sie haben an mir viel, viel weniger gefunden, als Sie erwarteten, und ich weiß jetzt, daß ich unendlich mehr empfangen habe und besitze, als ich verdiene – nämlich eine zuverlässige treue Seele, welche überdies den Ehrgeiz hat, die Treue auf Erden mir gegen alle skeptischen Einflüsterungen zu beweisen.

So empfinde ich es: tut es Ihnen wehe? – Ich hoffe nicht. –

Die letzten Bissen des Manuskripts, »Die letzten Bissen des Manuskriptes«, Frau Baumgartner fertigte eine Abschrift von Nietzsches »Vermischten Meinungen und Sprüchen« (jetzt in »Menschliches, Allzumenschliches« II) an. die ich Ihnen gestern gab, sind am schwersten zu kauen, es beschämt mich, Sie so zu bemühen. Fangen Sie mit den letzten Seiten an und endigen Sie mit den vordersten. »fangen Sie mit den letzten Seiten an«, Nietzsche pflegte seine Notizhefte von der letzten Seite nach vorne zu beschreiben. Oder wie Sie wollen.

Ganz und gar ergeben und dankerfüllt
F. N.

15. Nov. 1878.

Wissen Sie, daß es seit lange meine Empfindung ist: »ich verdiene das alles nicht, was ich an Freundschaft und Liebe erfahren habe«, daß ich mitunter gegen meine Freunde voll Verdruß bin, weil ich ihnen nicht wiedergeben kann. So ist es: geben ist seliger schon als wiedergeben; aber immer nur nehmen, nehmen müssen – das kann einen unselig machen. Zu ändern ist es nicht, hier steht das Fatum vor uns.


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