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29. An die Mutter.

Basel, 1. Februar 1870.

Hier, liebe Geburtstägerin und Mutter, ein sehr schnell zu schreibender Geburtstagsbrief! Denn das Handwerk drängt, die Schule; noch mehr aber ein öffentlicher Vortrag, »ein öffentlicher Vortrag«, der Vortrag »Sokrates und die Tragödie«, vgl. zu S. 93. der heute abend zu halten ist und mit dem ich noch sehr im Rückstande bin. Dies tut nun aber der Herzlichkeit meiner Wünsche keinen Eintrag! und morgen will ich, auf unsre altgewohnte Weise, den Tag selbst feiern, indem ich mir eine Hyazinthe kommen lasse – nicht wahr, so heißt doch Deine Geburtstagsblume? Ich bin mit der Botanik in der »Bredouille« (sächsisches Französisch). Dann werde ich mir Pfannkuchen kommen lassen (auch habe ich einen Bäcker entdeckt, den einzigen in Basel, der Weihnachtsstollen zu backen versteht). Und mittags werde ich zwei Gläser auf den Tisch stellen und durch gegenseitiges Zusammenstoßen einen großen Geburtstagslärm machen. Dies meine projektierte Feierlichkeit, in Begleitung der allerschönsten Wünsche für Dein und Deiner Kinder Wohl.

(1. Kanonenschuß! Bum!)

Zu erzählen habe ich wenig. Die Einladungen nach Weihnachten sind recht häufig, und ich nehme sie mit Pflichtbewußtsein an, um hier meinen guten Willen kundzugeben. Sonntag haben wir bei Direktor Gerkrats Geburtstag gefeiert. Von Tribschen bekomme ich immer die rührendsten Aufmerksamkeiten: an allen Tagen, wo ich etwas Besonderes vorhabe, ist auch gewiß ein Brief da: es sind die besten Menschen von der Welt.

Windisch hat bestimmte Aussicht, im Auftrag der India Office Library (verzeih dies jedenfalls scheußliche Englisch!) ein Jahr in London zuzubringen (mit c. 1600 Taler), um Sanskrithandschriften zu katalogisieren. Deussen schrieb mir heute einen langen Brief: er hat sich vollständig zum Schopenhauer bekehrt und lobt meinen Homer-Aufsatz überschwänglich, was Lisbeth mehr freuen wird als mich.

Meine Zeit ist vorbei: lösen wir schnell noch zweimal als alter Artillerist das Geschütz:

Bum!
Bum!

rufen Hurra! und empfehlen uns glückwünschend

Fr.


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