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82. An Dr. Carl Fuchs.

Basel, Ende Sommer 1878.

Also auch Sie, lieber Herr Doktor, sind in betreff Wagners in die Krisis geraten! Nun, so werden wir wohl die ersten sein; in meinem Buche habe ich in dieser Hinsicht die größte Schonung geübt, obwohl über zwanzig Punkte zum Entsetzen aller Wagnerianer in mir die Wahrheit feststeht. Irgendwann wird sie auch ans Licht müssen, – aber dringend bitte ich Sie, ja nichts zu übereilen und alle Gärung erst verbrausen zu lassen, daß es auch in diesen Dingen einen edlen hellen Wein gebe! Schreiben Sie jetzt nicht über Wagner! Was werden Sie noch alles entdecken! Sie sind ja in der günstigsten Unabhängigkeit von Bayreuth und den andren »Richtungen«; was Wagner und Frau Wagner von Ihnen denken, muß Ihnen ganz gleichgültig sein. Wagner selbst ist alt und hat keinen Frühling mehr zu erwarten: die Wahrheit aber altert nicht und muß in diesen Dingen ihren Frühling erst noch erleben. – Eine einzige Kombination von Fähigkeiten und Kenntnissen berechtigt Sie dazu, das Charakteristische des Stils bei jedem der großen Meister zu beschreiben – zum ersten Male, wie ich meine. Tun Sie dies doch zuerst einmal thesenhaft, aphoristisch, in der knappsten Form und mit haarscharfem Ausdruck. Ein halbes Tausend musikalischer Einzelsätze und Beobachtungen von Ihnen, die Quintessenzen Ihrer Erfahrungen – das gibt Ihnen Namen und Stellung.

Nur nichts Periodisches und Kleines (seien es »Briefe« oder Aufsätze für Zeitschriften), bevor Sie sich nicht erst als Ganzes gezeigt haben! – Verzeihung, wenn mein Wunsch, Sie endlich in der Achtung der Achtung-Verleihenden befestigt zu sehen, mich in meinen Ratschlägen zudringlich erscheinen läßt. – (Mein Plan, ein » Jahrbuch der Freunde« »Jahrbuch der Freunde« vgl. zu S. 174. herauszugeben, kann vor zwei und mehr Jahren nicht in Ausführung gebracht werden: Schmeitzners Ungeduld soll mich nicht zum Toren machen. Dies privatissime.) Nichts liegt mir ferner als eine Konkurrenz mit so erbarmungswürdigem Zeug, wie die »Bayreuther Blätter« sind, und überhaupt – eine Orientierung nach irgendeinem Bayreuther Sehwinkel. Auch Sie sprechen noch von einer »Spaltung im eignen Lager«. Was geht mich jetzt ein »Lager« an!!!!! Gar noch gegen Wolzogen! schreiben! wie konnte Ihnen das in den Sinn kommen, lieber verehrter Herr Doktor! Ich weiß mitunter nicht, wie Sie sich eigentlich taxieren. – Nochmals Verzeihung!

Meinen Bekannten mißfällt Ihr Stil in den gedruckten Sachen. Die Gründe sind 1) die Sätze sind viermal zu lang. 2) Sie affektieren Gelehrtenhaftigkeit, recht künstlerhaft, aber eine schreckliche Geschmacksverirrung (fremde wissenschaftliche Worte und Begriffe im Überfluß). 3) Die Hauptsachen kommen nicht stark und stämmig heraus, die Nebeneinfalle überwuchern sie, Sie schneiden nicht genug weg und arbeiten nicht genug um. 4) Ihr Geist liebt es, spitz zu werden; es ist das Geheimnis der guten Schriftsteller, nie für die subtilen und spitzen Leser zu schreiben.– –

Nicht wahr, Sie verargen mir diese epistula didactica nicht! – Womit sollte ich auch eine solche ehrliche Mitteilung, als Ihre letzte war, vergelten als mit Ehrlichkeit?

Ganz Ihnen ergeben F. N.


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