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24. An Friedrich Ritschl.

Pilatus, am 2. August 1869.

Hochverehrter und teurer Herr Geheimrat,

zum ersten Male im Vollgenuß der »Ferien« habe ich eine Empfindung, wie ich sie seit meinen Schülerjahren nicht kannte. Bedeuten doch meine Studentenzeiten durchweg nichts anderes als ein üppiges Schlendern durch die Gefilde der Philologie und der Kunst; so daß ich mit innigstem Danke gegen Sie, das »Schicksal« meines bisherigen Lebens, »Schicksal meines bisherigen Lebens«, die Berufung Nietzsches nach Basel war auf Grund eines Vorschlages von Ritschl, bei dem man angefragt hatte, erfolgt. erkenne, wie notwendig, wie rechtzeitig gerade jene Berufung kam, die mich aus einem »Wandelstern« in einen Fixstern umschuf und mich wieder das Vergnügen der sauren, aber regelmäßigen Arbeit und des unverrückbar sicheren Zieles kosten läßt. Und wie anders schafft der Mensch, wenn die heilige ἀνάγϰη des Berufs hinter ihm steht, wie ruhig schläft man und wie sicher weiß man beim Erwachen, was der Tag verlangt. Dies ist doch wohl keine Philisterei; mir ist es, als ob ich eine zerstreute Menge von Blättern in ein Buch zusammengebunden hätte: und das »freut dem Buche sehr«, um mit dem ungrammatischen Körner zu reden. »Das freut dem Buche sehr, um mit dem ungrammatischen Körner zu reden«, Anspielung auf die Zeile »Das freut dem Schwerte sehr« aus Theodor Körners Lied »Du Schwert an meiner Linken«, »index« vgl. zu S. 46.

Doch was plage ich Sie mit diesen Sentiments? Nur um Ihnen anzudeuten, wie tief dankbar ich bei der glücklichen Umwandlung meiner Lebensstellung Ihre pädagogische Einsicht bewundere, die wirklich an meinem Falle ein nicht unbedeutendes Problem glücklich gelöst hat, und dazu nicht ohne Gefährlichkeit und Risiko. Dies recht eingehend zu überlegen werde ich durch die Einsamkeit und Zurückgezogenheit meines jetzigen Aufenthaltes aufgefordert: hier in der Höhe des Pilatus, eingehüllt in Wolken, ohne jede Fernsicht, erscheint mir meine bisherige Lebensführung in einem so wunderbaren Lichte, zeigt sich die Nähe, in der bei Ihnen zu leben mir so lange vergönnt war, als ein so wichtiger Hebel meines inneren und äußeren Lebens, daß ich flugs die Feder ergreifen muß, um Ihnen meine frische und heiße Dankesempfindung mitzuteilen. In dieser verharrend,

bin ich Ihr
treu ergebner
Friedrich Nietzsche.

NB. Nachträglich bemerke ich, daß ich, von morgen an wieder in Basel lebend, als die Hauptaufgabe dieser Ferien mir die Förderung des »index« vorgesetzt habe.


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