Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Zweiter Abschied.

(März 1870.)

                  Was ihr früher so freundlich begrüßt, schon die Frucht war's
Die ruhig gereift zu runder Glätte
Während ich singend die Welt durchwandert.
Doch heuer wagt' ich's um Hörer zu werben
Mit erst werdendem Liede. Weilen ihr lauschtet
Wollt ich das Urtheil in euern Augen
Zu lesen versuchen; denn so nur erlang' ich
Die wahre Erleuchtung, das Lied zu vollenden.
Die rechte Gestalt und die richtige Stimmung
Des neuen Gesangs von uralten Sagen
Vermag sich der Sänger nicht selbst zu ersinnen
Durch Grübeln und Klügeln in einsamer Klause.
Er muß erst fühlen inmitten des Volkes,
Indem es ihm lauscht, hier lobend lächelt,
Dort die Köpfe schüttelt, mit schattigen Falten
Die Stirnen furcht und Verständlichkeit fordert,
Wo sein Lied ihm gelang, wo sein Flug erlahmte,
Wo die Feile noch fehlt, wo der Farbe zu viel ist,
Um es fertig zu schleifen zu schlichter Schönheit.

Doch ihr habt mich auch heuer, und über Verhoffen,
Willkommen geheißen mit »Hildebrants Heimkehr«,
Mich zahlreich umschaart, überschüttet mit Beifall
Und noch reicher belohnt durch regste Andacht.

Lebt nochmals nun wohl – auf Wiedersehn, hoff' ich;
Doch nicht weiß ich's zu sagen, wann das sein wird.
Denn es naht eine Zeit wo Niemand geneigt ist
Zu tauchen in Tiefen vergangener Tage.
Wohl zeigt mir die Zukunft die ziemende Stunde,
Wo Gemüth hier und Geist für Mären von Göttern,
Von erhabenen Helden und heiligen Dingen
Empfindsam wieder, empfänglich werden;
Doch nimmer durchschauen noch schätzen kann ich's
Wie lange die Frist währt, die bald unfraglich
Euch die Muße vertreibt und trübt die Andacht.
Denn dämmernd wirft in des Dichters Bewußtsein
Was erst künftig geschieht erkennbare Schatten
Und aus leisen Lauten im Luftreich spürt er
Das ferne Gewitter, die werdende Windsbraut.

Je wüthender heut schon verworrener Eifer
Das Führeramt fortlügt des deutschen Volkes,
Um desto fester in furchtloser Stärke
Am Steuer zu stehen ist Eure Bestimmung;
Denn der haltbarste Kitt für Königreiche
Ist die markige Mannheit germanischen Geistes.

Auch aus der vergiftenden gierigen Goldlust,
Aus dem ruchlosen Ringen nach raschem Reichthum
Ist ein Sturm im Entstehn von zerstörender Stärke
Und Vieles wird fallen was heute noch feststeht.

Euch Allen hier aber, in denen die Andacht
Für unserer Ahnen ewiges Erbtheil
Noch Raum behalten in reinen Herzen,
Euch ruf' ich nun zu: seid ruhig und zagt nicht,
Sondern fühlt euch gefeit vor allen Gefahren.
Wem die leitenden Lichter noch nicht erloschen,
Wer sein Steuer stellt nach den ewigen Sternen,
Dem dienet zur Stärkung was andere stürzt.

So lasset uns scheiden bis schöne Tage
Die Lust euch erneun meinem Liede zu lauschen.
O möcht' es bald sein. – Doch nicht mehr mit Beifall
Noch laut belohnt mir die letzten Worte.
Denn fast allzuernst ist mein Abschied geworden;
Und so laßt uns der Schwelle schweigend entschreiten.


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