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Vorspiel, zur Säcularfeier seines Geburtstages
aufgeführt auf dem Frankfurter Stadttheater.
Ueber den Wolken. Von rechts nach links herunter schwebend treffen in der Mitte der Bühne zusammen das Glück, ein Füllhorn tragend, der Ruhm, um sein Haupt einen Lorbeerkranz, über diesem einen glänzenden Stern, in der Hand einen glühenden Kelch.
Ruhm. Wer bist du, sprich?
Glück. Das Glück. – Und du?
Ruhm. Der Ruhm.
Kein Wunder ist's, daß wir uns nicht erkannten,
Zu häufig wechseln wir Gestalt und Tracht;
Und ist nicht schon geraume Zeit verflossen
Seit ich zuletzt mit dir zusammentraf?
Glück. Weil meine Schutzbefohlnen Du verschmähst.
Ruhm. Weil du die meinen eigensinnig fliehst.
Glück. Wo sollst du hin?
Ruhm. Hinab zur deutschen Erde.
Glück. Ich ebenfalls. Dem Ziele scheinst du nah,
Fast senkrecht seh' ich eine Weile schon
Dich aus des Aethers höchsten Regionen
Nah meiner Flugbahn in die Tiefe schweben.
Wo sendet dich der höchste Rathschluß hin?
Ruhm. Siehst du dort unter uns die Wolkenlücke?
Von unten her gesehen steht in ihr
Mein schöner Stern. Ein sehr bescheidnes Dach
Bestrahlt er hell. Dort, wo das schwache Licht
Dem Dach zunächst aus einem Fenster glimmt,
Dort blickt ein Vaterauge hoffnungsvoll
Empor nach uns. Er denkt: o wär' es doch
Der Stern des Ruhmes, was mit solchem Glanz
In meines Neugebornen Wiege scheint.
Er ist erhört.
Glück. Wie wunderbar.
Ruhm. Warum?
Glück. Mein Ziel ist eben dies bescheidne Dach.
Die Mutter schließt nach schmerzerkaufter Wonne
Zum ersten Schlaf die thränenfeuchten Augen.
Sie sieht in ihrem Traum den Himmel offen
Und in der Oeffnung mich mit meinem Füllhorn.
O Glück, so betet sie mit stummen Lippen,
Zu reicher Segensärndte schütte Du
In meines Knaben Wiege deine Saat!
Sie wird erhört. Ich will mein Füllhorn senken.
Ruhm. Halt ein.
Glück. Warum?
Ruhm. So Mancher schon vergaß
Mein hohes Ziel bei deinen Huldgeschenken,
Wenn du sie spendest ohne Plan und Maaß.
Der Mangel nur an irdischem Genügen
Treibt das Genie zu seinen Himmelsflügen.
Glück. Ich weiß es allzuwohl, wir werden Beide
Auf Schritt und Tritt verfolgt vom grimmen Neide;
Doch darf er meine Güter mitgenießen,
So läßt er sich die schmalen Lippen schließen.
Erglänzt ein Haupt von deinem Göttersterne,
So sind zuerst die Augen blöd und stumpf,
Und füllt' er doch zuletzt sogar die Ferne
Mit seinem Licht, so steigt aus jedem Sumpf
Empor das Quaken aufgeblasner Frösche
Und wächst . . .
Ruhm. bis Ich des Lebens Fackel lösche.
Glück. Du bist das Gift des Glücks; denn das Genie
Vergab die Gegenwart noch nie.
Ruhm. Sie wird, sie kann, sie darf es nie vergeben;
Denn siegend kämpft es für ein neues Leben
Und zeigt in mitleidslosem Offenbaren
Dem alten Leben seine Todtenbahren;
Und nur der Groll der Gegenwart bewehrt
Den Genius mit seinem Flammenschwert,
Mit welchem er aus ihrem faulen Eden
Die Menschheit treibt zu neuen Geistesfehden.
Glück. Und dennoch sind wir beide hergesandt
Dies Wunderkind zu segnen Hand in Hand?
Ruhm. Der höchste Wille hat uns herbeschieden.
Glück. So schließen wir an Mozarts Wiege Frieden.
Mein Füllhorn darf nur solche Gaben spenden
Die nicht für deinen Stern sein Auge blenden.
Ruhm. Er darf durch mich nur jenen Lorbeer pflücken
Der keimt und wächst aus eigenem Entzücken.
Glück. Der Lorbeerkranz ist immer Dornenkrone.
Wie willst du halten was unmöglich ist?
Ruhm. Ich könnte fragen, wer, in deinem Lohne,
Unsterblichkeit zu suchen nicht vergißt?
Doch statt in Worten hier den alten Streit
Zu wiederholen, laß uns treue Pathen
Des Knaben sein, und, ist erfüllt die Zeit,
An seiner Gruft vergleichen unsre Thaten.
Glück. Und wann?
Ruhm. Wann ein Jahrhundert hingeschwunden
Du weißt, für Uns sind Jahre nur Sekunden.
Glück (das Füllhorn neigend.)
Es gilt. So falle denn auf diesen Knaben
Als Eigenschaft die beste meiner Gaben:
Der heitre Blick der kühn die Welt durchschweift
Und ihre Schönheit rasch und fest ergreift,
Der nie erblindet für des Lebens Werth
Und jeden Schmerz zur Passion verklärt.
(Entschwebt.)
Ruhm. (Nimmt von seinem Stern einen leuchtenden Funken und läßt ihn in die Tiefe fallen.)
Entzünde Du, geweihter Himmelsfunke,
In ihm den Durst nach meinem Flammentrunke,
(Er hebt den Kelch.)
Doch jeder Tropfen mehre nur sein Dürsten
Und nirgend winke seinem Geist der Friede
Als auf dem Gipfel meiner Pyramide
Im kleinen Kreis der höchsten Künstlerfürsten.
(Er entschwebt.)
Die Scene verwandelt sich in einen Friedhof. Im Hintergrund prunkende Monumente, vorn einfache Gräber. Zwei Todtengräber sind beschäftigt ein Grab zu graben.
Erster Todtengräber. (Einen Schädel hinauswerfend.)
Der dritte Schädel.
Zweiter Todtengräber. Ja, hier wird's enge,
Ich lege schon die dritte Schicht.
Erster Todtengräber. Mir graut.
Zweiter Todtengräber. Wovor?
Erster Todtengräber. Vor dem Gedränge
Auf diesem Fleck beim jüngsten Gericht.
Zweiter Todtengräber. Ja, ruhig liegen dort die reichen
In erblich eignem Grundgebiete;
Hier wohnen die Zehnguldenleichen
Nur fünfundzwanzig Jahr' in Miethe.
Was will man machen? Der Platz ist knapp
Und die todten Leute fügen sich willig.
Zehn Gulden für'n apartes Grab
Das schon eingewohnt ist, find' ich billig.
In frühern Zeiten war es schlimmer –
Ich hab es noch gesehn als Bube
Vor sechzig Jahren – da that man immer
Je sechs zusammen in eine Grube.
Was schaust du?
Erster Todtengräber. Sieh das Frauenzimmer
Gehüllt in schwarze Trauerkleider.
Es kommt hieher
Zweiter Todtengräber. Und wird uns plagen,
Voll irgend einem Hungerleider
Das längst vergessne Grab erfragen.
Erster Todtengräber. Hier suchen sie oft nach einem Todten –
Mo – Mo – ja, Mozart hieß der Mann.
Sie sagen, er schrieb so schöne Noten.
Zweiter Todtengräber. Das ist was rechts! Mein Sepperl kann
Das auch – er ist Theaterschreiber,
Den Bogen schreibt er für 'nen Sechser.
Was thun die Leute, zumal die Weiber,
So groß mit solchem Tintenklexer?
Germania (ganz in Schwarz gehüllt.)
Zeigt mir das Grab des großen Todten.
Zweiter Todtengräber. Hier seid ihr nicht am rechten Ort.
Die über Geld und Gut geboten,
Die großen Herren, liegen dort.
Germania. So drang zu dir kein Ton hinab
Von seines Ruhms Posaunenstößen?
Ich suche des großen Todten Grab
Und nicht das Grab der todten Größen.
Wo liegt der liebste meiner Söhne?
Erster Todtengräber. Meint Ihr den Mozart? Hier herum.
Germania. Der große Herrscher im Reich der Töne
Besitzt kein Grab? – Wie, bleibt ihr stumm?
Zweiter Todtengräber. Wann starb der Herr?
Germania. Vor fünfundsechzig Jahren.
Zweiter Todtengräber. Und wißt Ihr, daß er hier begraben ward?
Germania. Das ist gewiß.
Zweiter Todtengräber. Dann können wir erfahren
Wo man mit fünfen seinen Sarg verscharrt.
Sechs andre folgten in der Zwischenzeit;
Doch seid getrost, das alte Friedhofsbuch
Bezeichnet euch den Fleck genau genug.
Ein Grab zu sechst war kaum zwei Klafter breit.
Komm, Erdmann, komm, wir gehn zum Sakristan
Das Buch zu holen und den Gräberplan.
(Beide ab.)
Germania. (Sich in gebeugter Haltung auf ein Grabkreuz stützend.)
Mein Trauerkleid, du zeigst der Wittwe Gram
Doch du verbirgst – die Röthe tiefer Schaam.
Aus deutscher Erde darf ein Genius
Den in der Wiege schon der Muse Kuß
Dazu geweiht, zum höchsten Himmel steigen,
Und Niemand weiß mir seine Gruft zu zeigen?
Noch jubeln soll ich? soll mit seinem Lichte
Mich selber schminken zu dem Schein der Größe?
Kein eignes Grab! Der Finger der Geschichte
Zeigt ernst auf diese meine Bettlerblöße.
Schmach über euch dort, seine Zeitgenossen
Und Grabesnachbarn! Stolz in Erz gegossen
Und kostbar ausgeschmückt mit Marmorbildern
Sind eure Gräber. Auf granitnen Schildern
In tiefer Goldschrift prangen eure Namen
Und euer Lob; doch jene sind vergessen
Und dies bedeutet nur: genug bekamen
Wir Erben ab von dem was er besessen,
Um über ihm mit diesen Prunkgerüsten
Als reich an Dank und Schätzen Uns zu brüsten.
Schmach über euch. Ihr schnittet volle Garben
Und ließet mir den hohen Genius
An seiner kurzen Erdenwallfahrt Schluß
In eurer Mitte unbeachtet darben.
Das ist die Art der prahlenden Gemeinheit.
Ihr habt als Hörer seines Meisterstückes
Gefühlt an seiner Größe eure Kleinheit
Und rächtet euch, ihr Pilze faulen Glückes.
Kein eignes Grab! Hinaus in alle Lande
Gerufen sei es: Schande, Schande, Schande!
Inzwischen hat eine Nebeldecoration den Hintergrund des Friedhofes verdeckt.
Ruhm. Weg mit der Trauer, mit dem Witwenschleier,
Du hast durch diesen Sohn die Welt entzückt.
Glück. Germania, schmücke dich zur Jubelfeier;
Dein großer Sohn war arm, doch reich beglückt.
Ruhm. In allen Landen und in allen Zungen
Wird sein Gesang tagtäglich neu gesungen.
Im weiten Meere seines Wohllauts schwimmen
Zu jeder Stunde hunderttausend Stimmen.
Glück. Und müßig wär's von mir, sein Glück zu preisen;
Ich sage nur: vernehmet seine Weisen.
Denn wer wie Er des Kinderfriedens Lallen,
Der Jugend Sehnsucht und des Mannes Muth,
Der Liebe Süßigkeit und wildes Wallen,
Des Glaubens Kraft, des Zweifels Höllengluth,
Verewigt hat in solchen Wundertönen
Die allen Streit zur Harmonie versöhnen;
Wer so wie Er das Herz aus allen Engen
Hinauf in's heitre Reich der Schönheit zwingt,
Ja, mit des Weltgerichts Posaunenklängen
Die Himmelswonnen der Erlösung singt:
Der hat erlebt in seinen Erdentagen
Das Beste was mein Füllhorn bieten kann
Und nur die stumpfen Seelen mögen fragen:
War Mozart wirklich ein beglückter Mann?
Und diese höchste aller Seeligkeiten
Kannst Du nur so, Germania, bereiten.
Germania (hat ihr Haupt entschleiert.)
Und doch kein eignes Grab.
Ruhm. Er braucht es nicht,
Denn Er ist aufgelöst in lauter Licht.
Glück. Der Mann für den sich Glück und Ruhm verbanden . . .
Ruhm. Er braucht kein Grab, denn er ist auferstanden.
Wir kehren heim in unsre Regionen.
Glück. Du wirf nun ab der Trauer Nachtgewand.
Ruhm. Denn heute schlingt um deine Millionen
Der Dienst des Genius das Einheitsband.
(Entschweben.)
Germania. (Richtet sich beim letzten Worte freudig auf, wirft die Trauer ab und tritt weiter vor.)
So will ich denn heut in festlichem Schmuck
Vergessen das Leid und schwelgen in Stolz
Auf den Genius den ich erzeugte.
Drum fühlet euch stark und fühlet euch groß,
Denn der Himmel befahl daß germanischer Geist
Die Fernen der Erde durchleuchte.
Es schmelze die Kunst mit heiliger Gluth
Das edle Metall das in Stücke zerbrach
Zur tönenden Glocke zusammen;
Ihr Jubelgeläut verkünde der Welt
Daß mächtiger stets die Herzen des Volks
Entgegen der Einigung flammen.
Doch ich fühle das Nahn des Verewigten selbst.
Erblicket ihn dort. Sein Saitenspiel labt
Dort oben unsterbliche Geister.
(Mozart, eine Lyra haltend, erscheint in den Wolken des Hintergrundes, von einer Strahlenglorie umgeben.)
So schweige denn jetzt das schwächliche Wort.
Zu reden begehrt mit gewaltiger Kraft
In Tönen der herrliche Meister.
Indem eine Mozartische Ouverture einfällt sinkt der Vorhang.