Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Die Götterdämmerung.Aus den in der Edda zerstreuten Bruchstücken und Splittern zusammengefügt.

        Die Wala weiß es,
Die Welt wird enden;
Den Untergang ahnt sie
Der Asen alle.

Loki liegt
Im Leichenwalde,
Gefangen gehalten
In Fesseln ans Därmen.
Da denkt er an Dinge,
Gramvoll und grausig;
Er weiß daß er loskommt
In letzten Zeiten.

Dann befehden sich friedlos
Und fällen sich Freunde,
Dann wird gebrochen
Von leiblichen Brüdern
Ohne Besinnen
Die Satzung der Sippe;
Dann achtet nicht Einer
Mehr des Andern
Und Schaamloses, Scheußliches
Wird geschehen.
Schilde zerschellen,
Beilalter, Schwertalter,
Windzeit und Wolfszeit
Muß erst werden
Ehe die Welt
Wanket und weicht.

Statt Wasserwogen
Wälzt im Osten
Schwerter und Schlamm
Der Strom der Strafen
Und watend stehen
Im starren Strome
Die nach unerlaubter
Liebe verlangten,
Die Meineidschwörer
Und Meuchelmörder.

Der nächtliche Neidwurm
Nagt dort an Leichen.
Es mästen sich am Marke
Gefallener Männer
Zu maaßloser Macht
Der Mörder des Mondes
Und der Sonnenverschlinger,
Das schlimme Scheusal.

Die Sonne wird siech
In kommenden Sommern;
Die Wetter wüthen,
Es fährt gen Westen
Von Osten der Winter,
Die Gewässer wachsen
Und branden vom Schlage
Der Mitgartschlange.
Auf das Wohnland wälzt sich
Der Wurm voll Wildheit.
Aare krächzen,
Leichen zerkrallend;
Es steigen die Fluthen
Bis endlich flott wird
Der große Nachen,
Gezimmert aus Nägeln,
Die man den Todten
In jenen Tagen
Schuldig blieb
Mit scharfer Scheere
Fromm zu beschneiden.
In rasender Schnelle
Kommt sein Kiel
Mit den Kindern Muspels,
Gelenkt von Loki,
Ueber See gesegelt
Und bringt durch's Wasser
Die Brut des Wolfes.

Dann sauset auch Surtur
Heran von Süden.
Die Sonne wird bleich
Von den blendenden Blitzen
Des flammenden Schwerts
Das er schwingt in der Rechten.
Felsen zerstäuben,
Riesinnen stürzen,
Es birst der Himmel,
Es fahren Helden
In die finsteren Hallen
Wo Hela hauset.

Yggdrasil ächzt,
Die alte Esche
Und rauscht, weil die Riesen
Sich losgerissen.
Zu krähen beginnt
Mit gellendem Rufe
In den Hallen der Götter
Der Hahn mit dem Goldkamm
Und weckt in Walhall
Walvaters Helden.
Unter der Erde
Kräht ein andrer,
Der schwarzrothe Hahn
In Helas Behausung.
In's erhobene Horn
Stößt schmetternd Heimdall
Und Odin murmelt
Mit Mimirs Munde.

Fünfhundert Pforten
Und viermal zehen
Weiß ich in Walhalls
Weiten Sälen;
Achthundert Einherier
Enteilen je einer
Dem Wolfe zu wehren.
Wigrid heißet
Das Feld, wo sich finden
Zu heißer Fehde
Die Sippe der Götter
Und Surturs Gesinde.
Hundert Rasten reicht es
Zur Linken und Rechten.

Voran den Reihen
Reitet Odin,
Fest seinen Speer
Mit der Faust umspannend,
Den mächtigen Gungner.
Es glänzen golden
Des Hauptes Helmschmuck,
Der helle Harnisch.
Also kommt er
Zum kühnsten der Kämpfe.

Doch vom höchsten Himmel
Zur untersten Erde
Reicht der Rachen
Des riesigen Unthiers,
Und wahrlich, er würde
Noch weiter klaffen,
Wenn auch diese Kluft nicht
Zu klein ihm wäre.

Was kann es verschlagen
In solch einen Schlund
Den Speer zu schleudern? –
Schon hat er verschlungen
Den gerüsteten Reiter
Zusammt dem Rosse;
Erwürgt hat der Wolf
Den Vater der Welten.

Doch zu rächen am Wolfe
Weiß ihn Widar.
Odin's Sohn
Steigt herab vom Sattel;
Die Ferse des Fußes
Setzt er furchtlos
Und kundig des Kampf's
Auf den unteren Kiefer
Des Fenriswolfes;
Mit den Fäusten faßt er
Nach seinem Kopfe;
In den oberen Kiefer
Stämmt er die Rechte
Und reißt den Rachen
Auseinander also
Dem argen Unhold.

Und Thôrr, der gewaltige
Thursentödter,
Naht sich der Natter,
Der neidgeschwollnen,
Und trotzt dem Erguß
Ihres giftigen Geifers.
Muthig zermalmt noch
Der Segner Mitgarts
Mit einem Schlage
Das Haupt der Schlange;
Dann taumelt er aber;
Neun Schritte noch thut er, –
Dann stürzt er und stirbt,
Erstickend am Gifte.

Voll der Walstatt entweichen
Sämmtliche Wesen.
Den Weltbaum umwallen
Wirbelnde Gluthen;
Die lodernde Lohe
Leckt gen Himmel,
Die Erde versinkt
In die See, und die Sonne
Verschwälet verschwindet,
Schwarz geworden,
Und die leuchtenden Sterne
Stürzen vom Himmel.

Doch einst wird wieder
Aus der Gewässer
Tiefen zu Tage
Die Erde tauchen
Und mit lachendem Grün
Sich lenzend begrasen.
Denn es fallen die Fluthen,
Die Adler fliegen
Und fangen sich Fische
Auf hohen Felsen.

Wann längst schon erloschen
Die Lohe Surturs,
Dann walten des Heiligen
Widar und Wali.
Modi und Magni
Schwingen den Malmer,
Kundig, den Kampf
Zu Ende zu kämpfen.

Doch wer leibt und lebt noch
Wann einst der lange
Weltenwinter
Sich weichend wendet?
Den Mutterschooß
Und die schaffende Mannheit
Umheget behütend
Der Wald der Weisheit.
Da leben sie Beide
Lange verborgen;
Ihr Mahl ist der milde
Thau des Morgens:
Von ihnen schlägt dann
Das neue Geschlecht aus.

Dann einen sich die Asen
Auf dem Idafelde
Und forschen in Gesprächen
Nach dem Weltumspanner.
Da werden sie dann wieder
Gewahr im Grase
Der vergangenen Götter
Goldene Stäbe
Und enträthseln die Runen
In denen sich gerettet
Während des langen
Weltenwinters
Die weiland gewußte
Uralte Weisheit.

Dann sind ohne Saat
Gesegnet die Aerndten;
Dann schwindet das Böse;
Heim kehrt Baldur
Und hauset im Himmel
Mit Hödur zusammen.
Da seh ich einen Saal,
Der ist heller als die Sonne,
Mit Golde gedeckt
Auf dem Götter-Gipfel.
Werthe Fürsten
Werden da wohnen
Und Ehren erleben
Ohne Ende.

Und einst kommt ein Andrer
Mächtger denn Alle,
Stärker als Thôrr noch
Und thatenreicher;
Doch wag' ich's mit nichten
Ihn jetzt schon zu nennen.
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Als bis zu Walvaters
Kampf mit dem Wolfe.
Der Mächtige reitet
Zum Rathe der Götter,
Der Starke von Oben,
Der Alles steuert.
Den Zwist entscheidend,
Die Zwietracht schlichtend
Ordnet er ewige
Satzungen an.


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