Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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König Max.

München, 13. März 1864.

            Die deutsche Muse war in deinem Schlosse
    Ein lieber Gast. Du nahmst, zu neuem Schwunge,
Das Joch vom Nacken ihrem Flügelrosse.

O König Max! Mein Lied der Nibelunge
    Zu hören riefst du her zu dir den Dichter –
Da krallt der Tod dich fort im Tigersprunge.

Du lauschtest andachtsvoll und mild als Richter
    Am Freitag noch – der Freitag heut entzündet
Um deinen Katafalk die Grabeslichter.

Wie sprachst du klar, wie frugst du tief begründet.
    Nun wärst du ewig hin? – Es dünkt mir Lüge
Was Landgeläut drei Tage lang schon kündet.

Noch einmal wollt ich sehn die milden Züge
    Des Edeln der so jäh dahin geschieden,
Bevor man ihn zur Gruft der Ahnen trüge.

Erlöst vom Streit, von aller Qual hienieden,
    Die mannhaft mit sein hohes Herz getragen,
So schlief er nun im allertiefsten Frieden.

Verstummt war nun der Mund voll kluger Fragen,
    Der Blick erloschen, dem in solcher Helle
Ein Morgenroth entstrahlt von schönern Tagen.

Als Letzter fast verließ ich die Kapelle;
    Doch rückwärts mußt' ich meine Augen wenden
Und zögernd blieb ich stehen auf der Schwelle.

Da schienen mir die Kerzen im Verenden.
    Ein dämmernd Blau verbreitet sich im Raume,
Nicht länger ist er eingehegt von Wänden.

Nach Norden reicht mein Blick zum Wogenschaume
    Des Meeres hin, nach Westen bis zum Rheine,
Nach Süden bis zum weißen Glätschersaume.

Der Katafalk mit diesem Todtenschreine
    Erhebt sich als Altar in Deutschlands mitten,
Das deutsche Volk umsteht ihn als Gemeine.

Es weiß, ein dunkles Schicksal kam geschritten;
    Da hat dies Herz, ereilt von seinem Fuße,
Den Opfertod um deutsches Weh erlitten.

Wer aber naht sich dort zum letzten Gruße?
    Es ist ein hohes Weib im Trauerkleide;
Erschrocken fuhr sie auf aus edler Muße.

Die Linke hält von Sternen ein Geschmeide,
    Das will sie um das Haupt des Todten flechten;
Ihr Antliz ist erfüllt vom tiefsten Leide.

Den Weltenspiegel hält sie in der Rechten,
    Der schön die Wahrheit spiegelt aller Dinge
Erlöst vom Kampfe mit des Zufalls Mächten.

Und also spricht sie: Feste Kettenringe
    Hat nun der Mensch um die Natur geschmiedet,
Damit er sie zu seinen Wünschen zwinge.

Die stärkste Kraft, den feinsten Zauber siedet
    Sein Witz hervor aus allen Erdenstoffen;
Sein Leben ruht in Wohlsein stolz umfriedet.

Ich hielt ihm als er litt, den Himmel offen;
    Kaum Herr der Erde, will er mich vergessen
Und spottet mein »Du lehrst nur träumen, hoffen!

»Jetzt gilt nur was man wägen kann und messen,
    Drum fort mit dir aus meinem neuen Reiche;
Zu lange schon war ich von dir besessen.«

Von Dir, o Herr, vernahm ich nie das Gleiche;
    Verschlossen blieb dein Ohr dem dreisten Hohne
Daß ich dem Volk nur Taumelsäfte reiche.

Du wiesest mir, wo ich am liebsten wohne
    Seit alter Zeit, die sichre Zufluchtsstätte,
Du winktest mich heran zu deinem Throne.

Du schmücktest mich mit einer Ehrenkette,
    Du lauschtest gern auf meiner Jünger Weisen
Und sporntest sie zur edeln Ruhmeswette.

Du suchtest Größe nicht mit Blut und Eisen
    Und dennoch soll dein Name ewig leben;
Mein Lied wird ihn der fernsten Nachwelt preisen. –

Ich sah den Todten sich verklärt erheben
    Und sie sein Haupt mit Sternenglanz umwinden.
Dann aber traurig in die Ferne schweben.

    Wo wird sie nun die Zufluchtstätte finden?


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