Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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An den Kaiser Wilhelm.

(1871.)

                    An zweiundzwanzig Jahre sinds,
Da winktest Du, der Preußenprinz,
Mich hier zum Zwiegespräch nach Tische
Zu Dir in eine Fensternische.
Ich wußte Dir auf Deine Fragen
Nach unsrer jungen deutschen Flotte
Nur wenig anderes zu sagen,
Als daß sie, kaum gebaut, verrotte.
Dann mußt' ich Dir das innre Treiben
Des deutschen Parlaments beschreiben,
Das Spiel der Eifersüchteleien,
Das Hadern, Markten der Parteien
Eh Meisterin die unsre ward,
Und wie wir, an der Gegenwart
Verzweifelnd, dennoch unverzagt
Zuletzt den großen Wurf gewagt,
Mit dem wir auf die Zukunft zählten
Und auf des Rechten Werdemacht,
Als Wir, selbst hoffnungslos, verlacht,
Zum Kaiser Preußens König wählten.

»Ja, sagtest Du, o Herr, dagegen,
Ihr wart in Vielem zu verwegen.
Erst Schiffe baun, hernach das Reich,
Das war und bleibt ein Jugendstreich.
Doch seid getrost und unverzagt,
Ihr habet nicht umsonst getagt,
Wie lange Zeit es auch so scheine;
Denn unvergessen bleibt das Eine.
Mein fürstlich Wort zum Unterpfand,
– Und hier empfing ich Deine Hand –
Einst kommt das Reich, doch nur durch Thaten.«

Das war's was ich von Dir vernahm;
Doch mehr noch wagt ich zu errathen
Und schrieb, als ich nach Hause kam:
»Dort seh' ich meinen König reiten
Mit aller Stämme Heeresmacht.
Dort fließt der Rhein – Ha, welch' ein Streiten!
Sieg. Sieg! Gewonnen ist die Schlacht!
Vom Dome tönt die Krönungsstunde,
Der Kaiserzug zum Römer geht –
Der Münster steht auf deutschem Grunde –
Der Hansa Meeresbanner weht –
«Gedruckt seit 1854, Demiurgos III. S. 239.

So sprach ich wahr als Zukunftweiser
Durch Dich, mein heilig großer Kaiser.
Verwirklicht sind die Traumgestalten
Denn Du hast herrlich Wort gehalten.

O Herr, nun mache den Poeten
Durchaus zum richtigen Propheten.
Der Münster steht auf deutschem Grunde, –
Nun laß uns auch die große Stunde
Nach der wir noch verlangen sehn.
Laß läuten die Karolusglocken
Und uns auf deinen weißen Locken
Die Kaiserkrone prangen sehn.


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