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28. August 1862.
Das Leben wies mit siegenden Geboten Den Friedhof in des Weichbilds ferne Mark; Verwandelt ist das alte Feld der Todten. Es liegt im Ring der Stadt als heitrer Park. Noch immer steht und kämpft um längre Dauer Manch Denkmal; doch die Zeit ist allzustark. Die Schrift erlischt, in Trümmer sinkt die Mauer Und jeder Frühling deckt mit dichterm Laube Versöhnend zu die Bilder düstrer Trauer. Dann klingt voll Zweigen, die er aus dem Staube Der Herzen formt, das Lied der Nachtigal Und neue Herzen hebt ein neuer Glaube: In Laubgerausch und Lied den Wiederhall Vernimmt er nun vom Einen Wunsch zu leben, Der anders nicht als uns beseelt das All. Schon ist der Garten hügellos und eben Und wo sich nicht ein Kiespfad gastlich windet Da darf sich Blume, Gras und Strauch erheben. Bald auch vom letzten Leichenstein verschwindet Das Wappen unter der Besucher Sohlen. Doch sieh, was dort mein Blick verwundert findet! Wem blühn die wohlgepflegten Nachtviolen? Wen soll dies junge Rankendach umhecken? Was hat der Zeit hier Schonung anbefohlen? Noch völlig scharf sind dieses Grabsteins Ecken; Du fragst erstaunt, wen mag an diesem Orte Im letzten Bett der neue Stein bedecken? Die kleine Laube liegt nicht fern der Pforte: War dies des alten Friedhofs letzter Gast? Wie frisch geschnitten sind der Inschrift Worte. Dir zuckt's im Knie, wann du gelesen hast. Wem keine Andacht hier sein Herz geböte, Er wär' am deutschen Stamm ein dürrer Ast. Des neuen Tages helle Morgenröthe Ist unserm Volk einst siegend aufgegangen Aus diesem Staub. Hier ruht die Mutter Goethe. Der Staub von Andern mag als Rose prangen, Um Blumen gaukeln als ein bunter Falter, Als Lerche wieder freien Laut empfangen, Mag steigend wirbeln einen Frühlingspsalter, Bis er sich nochmals Mensch zu sein erdreistet; Der ihre raste nun ein Weltenalter. Der Frauen Höchstes hat die Frau geleistet Die für ein Weltenalter wirkungsvoll Mit Götterlicht des Sohnes Stirn begeistet. Die Gottesliebe, der die Welt entquoll, Sie war verzerrt zum grausen Götzenbilde Das Leid und Pein begehrt als Dankeszoll, Zum Freudenhaß des großen Dulders Milde, Die Schonung selbst der Sünderin befahl; Das Menschenherz glich dem gehetzten Wilde, Verderbt nur hieß es und bestimmt zur Qual; Die Erde war die Schlachtbank frommer Schafe, Ein düstrer Kerker und ein Jammerthal; Das lichte Leben hieß Verbannung, Strafe, Und nur in dunkler Ferne lag sein Ziel: Verdammniß, oder nach dem langen Schlafe Ein Loos, weit ärger als des Dante Kiel Das ärgste schildert: eine Ewigkeit, Von Wunsch, Bedürfniß, ernster That und Spiel, Voll Furcht und Hoffnung ganz und gar befreit Und doch bewußt, ein grauenhaft Empfinden Des Nichtempfindens und der leeren Zeit. Doch nun erbarmte sich der künstlich Blinden Auf seinem schönen Stern der Erdengeist, Der dann und wann als Genius die Binden Des Trugs vom Auge seiner Kinder reißt. Er ließ vom großen unsichtbaren Strome Der ewig in den Elementen kreist, Den stärksten Funken zünden die Atome Die dieser Stein der Werdelust entzieht, Und Goethe ward. Bald schwanden die Phantome Wie Nebel vor der steigenden Sonne flieht. Das helle Auge war ihm angeboren Mit dem die Welt sich staunend selbst besieht, Das sie zum Wunderspiegel auserkoren Sich aus verwirrender Gestaltenmenge Ihr ewig eines Urbild zu entfloren, Der »schwankenden Erscheinung« Traumgedränge Zu »festigen in dauernden Gedanken.« Doch was er war und was er that, wer zwänge Das je hinein in eines Spruches Schranken? Begreift nur, daß wir ihm den besten Theil Des Besten was wir heute sind, verdanken, Doch weite Strecken, Pfade, schroff und steil Noch vor uns haben, bis wir unser eigen Einst nennen dürfen alles lichte Heil Das in der Zukunft seine Finger zeigen. Geführt von seiner Dichtung Wundertönen Laßt uns empor zu seinen Höhen steigen. Wir können so nur mit Vollendung krönen Was er ersehnt mit schmerzlichem Verzichten. Sein wir ein Volk von ächten Göthesöhnen! Vollziehn wir wacker unsre Sohnespflichten, Sein Testament in Faustens Schlußgebet, Bis an den Bildern die wir ihm errichten Sein Wunsch ihm endlich in Erfüllung geht, Bis jedes Goethebild in deutschen Gauen »Auf freiem Grund mit freiem Volke steht.« Ihr aber pilgert her, ihr deutschen Frauen, Du schlichter Stein, an dir vorüber rinnt |